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Piqd vor allem beim Deutschlandfunk die Rosinen heraus, wann immer es bei dem Sender um Europa geht. Als Korrespondent mit Sitz in Polen geht der Blick vor allem nach Osten.
Geboren 1968 in Braunschweig. Studium der slawischen Sprachen und der Geschichte Osteuropas in Kiel, Sankt Petersburg und im sibirischen Irkutsk. Langjährige Tätigkeit als außenpolitischer Redakteur bei norddeutschen Tageszeitungen. Seit 2010 freier Osteuropa-Korrespondent für Print- und Online-Medien in Warschau und Berlin.
An den 3. Oktober 1990 erinnere ich mich recht gut. In Kiel, wo ich damals studierte, war es ein sonniger Frühherbsttag. Ich war zu Besuch bei einer Freundin, deren Mutter aus England stammte. Mit ihrem typischen Akzent gratulierte sie mir warmly zur Wiedervereinigung. Da werde doch world history geschrieben an diesem Tag! Mit 22 Jahren habe ich das damals nicht recht verstanden. Jedenfalls war mir nicht nach Feiern zumute. Mir war dieser nationale deutsche Zusammenschluss im Herzen Europas doch eher suspekt, und das blieb auch noch eine ganze Weile so.
Inzwischen bin ich mit der deutschen Einheit im Reinen. Dennoch habe ich mich dabei ertappt, wie ich bei der Lektüre von Timothy Garton Ashs Lobeshymne auf das zeitgenössische Deutschland, die ich hier empfehlen möchte, schmunzelnd den Kopf schütteln musste. Wieder ein Engländer, der da gratuliert! Und wieder kann ich die Begeisterung nicht recht verstehen. Aber so ist das ja oft mit den Außenansichten. Das Kleinklein der Innenpolitik spielt da keine Rolle. Auch Ash folgt im Guardian lieber den großen Linien:
The last three decades have been the best in all that long and complicated history. If you can think of a better period for the majority of Germans, and their relations with most of their neighbours, I’d be glad to learn of it. In today’s world, roiled by populism, fanaticism and authoritarianism, the Federal Republic is a beacon of stability, civility and moderation – qualities personified by Chancellor Angela Merkel.
Natürlich möchte man sofort motzen, dass es das doch wohl nicht sein kann: ein in die Jahre gekommener Merkelismus als Non plus ultra der deutschen Geschichte. Geht's noch? Aber ich lade an dieser Stelle gern alle Leser*innen ein, sich die Ash-Aufgabe noch einmal vorzunehmen und nach "a better period for the majority of Germans" und für die Nachbarn in Europa zu suchen.
Aber vielleicht sollte man sich damit auch gar nicht zu lange aufhalten. Denn Ash sagt sehr richtig, dass "the national and regional challenges that Germany has faced over the last 30 years pale in comparison with the global ones it will face over the next 30". Der längere zweite Teil seines Textes zeigt eindringlich, wie fragil die Lage des vereinten Deutschlands im Jahr 2020 ist. Nicht wegen des inneren Zustands, sondern weil die world history derzeit so enorme Herausforderungen bereithält:
If Trump wins a second term, all bets are off. [...] Then Europe would be compelled to fend for itself on security, a task for which it is still ill equipped. But if Joe Biden becomes president, the US can return to being an indispensable proponent of the liberal international order on which Germany depends more than anyone. In this sense, the next important date in German history is not 3 October, which is just a nice anniversary, but 3 November, which will see probably the most crucial US election in the history of the modern transatlantic west.
Quelle: Timothy Garton Ash Bild: Fotoreport/DPA/PA... EN www.theguardian.com
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Ohne motzen zu wollen: "a better period for the majority of Germans"
Von den sozialen Leistungen war die zweite Hälfte der alten BRD, wo ja eine Mehrheit lebte, bestimmt besser.
Für die letzten 30 Jahre gilt, was der in Wien lehrende Philipp Ther in seinem Standardwerk über das neoliberale Europa von 2014 schrieb. So führte die Schocktherapie in Ostdeutschland „innerhalb weniger Jahre zu einem Einbruch der Industrieproduktion auf 27 Prozent des Wertes von 1989. Außer dem vom Krieg zerstörten Bosnien und Herzegowina erlebte kein anderes Land in Europa einen derart drastischen Rückgang.“
Ash macht am Anfang Schwierigkeiten bei der Periodisierung deutlich, um sie anschließend zu ignorieren. In den wenigsten Zeiten gab es eine staatliche Einheit.
Was soll da hellsichtig sein?