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Verstehe einer die Briten! – John Harris versucht's

Silke Jäger
Freie Medizinjournalistin

Ich lebe in Marburg und schreibe über Gesundheit und Gesundheitspolitik.

Zum Kurator'innen-Profil
Silke JägerMittwoch, 02.10.2019

John Harris' Video-Reihe "Anywhere but Westminster" ist mir sehr ans Herz gewachsen. Immer, wenn ich kurz davor bin, innerlich alles hinzuschmeißen und zu rufen: "Dann macht doch endlich euren Brexit! Ich will mich damit echt nicht mehr belasten. Schließlich gibt es viel wichtigere Themen unserer Zeit!" Immer dann bringt Harris ein neues Video raus. Und wenn ich ihm dann eine Viertelstunde durchs Land gefolgt bin, ist es mit meiner Ungeduld wieder ein bisschen besser ...

Seit 10 Jahren geht Harris raus aus London und versucht zu verstehen, was die Menschen abseits der hektisch-aufgeblasenen Westminster-Bubble umtreibt. Ein – wie ich neulich erst gelernt habe – ziemlich außergewöhnlicher Ansatz. Denn die Lokalpresse in Großbritannien ist tot. Alle, die von Journalismus leben wollen, arbeiten in London. Es gibt keine lokal funktionierenden Redaktionen mehr, keine lokal stationierten Journalist:innen. Das heißt: London sendet, der Rest des Landes empfängt. Kein Wunder, dass ein Großteil der britischen Bevölkerung den Eindruck hat, sie wird nicht gehört und erst recht nicht ernst genommen. Wer würde da nicht an der Wahlurne protestieren wollen?

Harris' Ansatz ist aber nicht nur deshalb besonders. Seine Art des Fragens, sein aufmerksamer, empathischer Blick auf die größeren Zusammenhänge ist selten in der sonst von lauten Tönen und einfachen Erklärungen dominierten britischen Presse. Auch seine Kolumnen sind stets sehr lesenswert.

Er schafft, dass man die Gründe versteht, die Menschen zu vordergründig unverständlichen Handlungen treibt. Ohne die Menschen dabei vorzuführen. Seine respektvollen Reportagen sind wertvolle Zeitdokumente.

Ich empfehle besonders die beiden aktuellen Folgen, weil sie helfen, die derzeitige politische Stimmung besser zu verstehen. Außerdem ist das neueste Video ein sehr interessanter Blick durchs Schlüsselloch auf die Labour-Partei und ihre Ambivalenzen. Aber im Grunde kann man endlos scrollen – wenn's mal wieder Cats and Dogs regnet ...

Verstehe einer die Briten! – John Harris versucht's

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Kommentare 2
  1. Christoph Weigel
    Christoph Weigel · vor 5 Jahren

    auch nicht schlecht, was constantin seibt in der «Republik» dazu schreibt: https://www.republik.c...

    1. Silke Jäger
      Silke Jäger · vor 5 Jahren

      Danke für den Link. Ja, habe es selbst erlebt, wie Geschichtsunterricht in Grundschulen abläuft. Das Narrativ "we won" ist noch ziemlich präsent. Und die Frage ist, welche Erwartungen das schürt, wie die Gegenwart zu sein hätte, wenn zusätzlich dazu das Denken zwischen den Polen pendelt "Kolonie oder Kolonialist" und "Club-Mitglied oder Club-Chef". Die britische Gesellschaft ist auch eine extreme Leistungsgesellschaft und keiner will als Wasserträger enden ... Aber die meisten enden (gefühlt) genau da.

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