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Heer, Stahl und Sturm – wie Beate Zschäpes Anwälte das Böse verteidigten, um das Gute zu schützen

Christian Gesellmann
Autor und Reporter

Geboren 1984 in Zwickau, Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Germanistik in Jena und Perugia. Volontariat bei der Tageszeitung Freie Presse, anschließend zweieinhalb Jahre als Redakteur in Zwickau. Lebt als freier Autor in Leipzig und Bukarest. Quoten-Ossi bei Krautreporter.

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Christian GesellmannSonntag, 15.07.2018

Als bekannt wurde, wer das Mandat übernehmen würde, die u. a. wegen zehnfachen Mordes angeklagte rechtsextreme Terroristin Beate Zschäpe im Prozess vor dem Oberlandesgericht München zu verteidigen, dachte ich erst an einen makabren Scherz: Heer, Stahl und Sturm lauteten die Nachnamen des Rechtsanwalt-Trios. Dann schienen die drei im Gerichtssaal auch noch mit der "Nazi-Braut" (Bild) zu tuscheln und zu scherzen, als wären sie schon Jahre miteinander befreundet, übernachteten an Prozesstagen in Luxushotels und traten generell ein bisschen wie germanische Versionen von Gordon Gekko auf. Es war einfach, Heer, Stahl und Sturm zu hassen. Die drei galten als dafür verantwortlich, dass Zschäpe im Prozess schweigt, dass sie uns alle damit belastete, ihr Recht, sich nicht belasten zu müssen, in Anspruch zu nehmen. 

Eva Müller hat die drei Rechtsanwälte in einer Langzeitbeobachtung während des gesamten, fünf Jahre währenden Prozesses, immer wieder zu Interviews getroffen. Der daraus entstandene Dokumentarfilm ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert, er zeigt das Verfahren aus der Perspektive der Verteidigung und aus diesem Blickwinkel lernt man zu verstehen, dass

1) die Pflichtverteidigung eines der höchsten und undankbarsten Güter unseres Rechtsstaates darstellt, aber systematisch unterbezahlt und fahrlässig unverstanden ist.

2) Richter Manfred Götzl wohl auch mit unlauteren Mitteln versucht hat, Beate Zschäpe zu einer Aussage zu bewegen.

3) Heer, Stahl und Sturm aus verteidigungstaktischen Gründen dies zu recht unter allen Umständen vermeiden wollten – und dass das sehr viel über den Charakter und die Psyche der Täterin aussagt.

4) Heer, Stahl und Sturm trotz aller öffentlicher Abscheu gegen ihr Wirken die bestmögliche Verteidigung Zschäpes organisiert, und dass das bei aller scheinbaren Paradoxie ein enormer Dienst an der Philosophie unseres Staatswesens ist.

Heer, Stahl und Sturm – wie Beate Zschäpes Anwälte das Böse verteidigten, um das Gute zu schützen

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Kommentare 2
  1. Ralph Diermann
    Ralph Diermann · vor mehr als 6 Jahre

    Was mich ein bischen irritiert hat beim Schauen der Doku: Wie unbedarft die drei Anwälte das Mandat übernommen haben - als hätten sie völlig unterschätzt, was über sie hereinbricht, wenn sie die Verteidigung im größten Prozess der letzten Jahrzehnte übernehmen. Bischen naiv, sich darüber zu wundern, rechtsaußen verortet zu werden.

    1. Christian Gesellmann
      Christian Gesellmann · vor mehr als 6 Jahre

      Ich denke, die drei haben wohl darauf vertraut, dass wenigstens ihre Berufskollegen und die ernstzunehmenden Medien hier zwischen Pflichtaufgaben und moralischen Wertzuweisungen unterscheiden könnten. Ich finde solche Argumente scheinheilig, gerade von denen, die behaupten, der Rechtsstaat sei ihnen so wichtig, muss man erwarten können, dass sie akzeptieren, dass das Recht dann auch für die gilt, die man hasst. Es ist doch verlogen zu sagen: Ja, Zschäpe steht rechtlich ein Pflichtverteidiger zu. Aber bitte keiner, der seine Aufgabe ordentlich macht, keiner, der nicht etwa auch selbst verblendet ist. Die Unfähigkeit der Medien und vieler anderer Prozessbeobachter zu akzeptieren, dass die Übernahme des Mandats keine Stellungnahme zu den Taten ist, ist geradezu beschämend.

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