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„Ich war für diese schöpferische Zerstörung“ – ein Treuhänder erzählt

Tino Hanekamp
Autor

Tino Hanekamp war Journalist und Musikjournalist, hat in Hamburg zwei Musikclubs gegründet (Weltbühne, Uebel & Gefährlich), einen Roman geschrieben (‚So was von da‘) und unlängst ein Buch über Nick Cave ('... über Nick Cave'). Er lebt im Süden Mexikos.

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Tino HanekampSonntag, 10.11.2019

Die Treuhand steht symbolisch, aber oft auch praktisch für das Trauma der Ostdeutschen, sie ist "Der Gründungs-Mythos des ostdeutschen Rechtspopulismus", es stellt sich die Frage: "Hat die Treuhand den Osten zerstört?" Das Thema ist emotional und politisch aufgeladen und komplex, es braucht "Schlaglichter für den Weg zu einer Neudeutung" – und neue Perspektiven. Hier die eines ehemaligen Treuhänders. Detlef Scheunert war der einzige Ossi im Vorstand des westdeutschen Abrissunternehmens und berichtet in diesem Interview pointiert und meinungsstark von seinen Erfahrungen.

SPIEGEL: Wäre es mit Ihrer Biografie nicht Ihre Aufgabe gewesen, bei den westdeutschen Treuhand-Managern für den ostdeutschen Blick zu werben?

Scheunert: Das habe ich damals selbst so nicht empfunden. Ich habe mich für Volkswirtschaft interessiert, Hayek gelesen, später von Schumpeters Konzept der schöpferischen Zerstörung. Der Jammerossi kam auf und dieses Gejammere ging mir maßlos auf die Nerven. Ich war für diese schöpferische Zerstörung. Man musste die alten Männer nach Hause schicken.

SPIEGEL: Sind Sie heute mit sich im Reinen, dass die schöpferische Zerstörung richtig war?

Scheunert: Ich war damals wie heute der Überzeugung, dass die Orientierung an der Marktwirtschaft richtig ist, weil ich die persönliche Freiheit der Menschen gesehen habe und fest davon überzeugt bin, dass Privateigentum die Grundlage von effizientem Wirtschaften ist. Ich halte wenig von Staatsbeteiligung. Der Osten, diese kleine DDR, war schon eine komische Gesellschaft. Geführt von Dilettanten, die aus ihrer Jugend heraus eine faszinierende Idee entwickelt hatten. Und dann haben sie das so vermurkst, weil sie an alten Dogmen festgehalten haben.

„Ich war für diese schöpferische Zerstörung“ – ein Treuhänder erzählt

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Kommentare 4
  1. Kerstin A.
    Kerstin A. · vor 5 Jahren

    Wer reale Fakten zu der Ausplünderung der DDR durch diese sog. "Treuhand" erfahren will, sollte sich die aktuelle Folge von "Die Anstalt" in der ZDF-Mediathek anschauen.

  2. Dirk Liesemer
    Dirk Liesemer · vor 5 Jahren

    Interessantes Interview, er verteidigt zwar klar das damalige Vorgehen, aber überlesen sollte man auch nicht, dass er sich "eine wirtschaftliche Sonderzone für ein paar Jahre gewünscht ((hätte)), die Unternehmensgründungen leichter gemacht hätten. Im Osten waren kleine unternehmerische Pflänzchen entstanden, und dann wurde der Riesenbürokratieklotz draufgestülpt. Der konnte getragen werden von der hoch entwickelten westdeutschen Wirtschaft, aber nicht von den damals jungen und noch schwachen ostdeutschen Unternehmen."

  3. Tino Hanekamp
    Tino Hanekamp · vor 5 Jahren

    Hier eine lesenswerte Gegenperspektive aus den Kommtaren unter dem Interview:

    biesi61 gestern, 10:55 Uhr

    25. Was für ein trauriger Wicht,
    der selbst nach 30 Jahren noch nicht begriffen hat, für was für ein unsinniges, für die Betroffenen barbarisches und historisch einzigartig dämliches Zerstörungswerk an seiner Heimat er sich als junger Mann missbrauchen ließ. Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass er als Berliner Ministeriumsmitarbeiter zu weit von den Betrieben weg war und ebenso wie die Westdeutschen überhaupt nicht mitbekam, was dort so wunderbares geschah. Da sich die Mehrzahl der Ostdeutschen (nicht die, die wegliefen, sondern, die, die ganz bewusst da blieben) selbst maßgeblich über den Inhalt ihrer beruflichen Arbeit definierten, herrschte in den allermeisten Betrieben - viel mehr als irgendwo anders in der Gesellschaft - 1989 und Anfang 1990 eine enorme Aufbruchstimmung, ein faszinierender Optimismus. Auch wenn vieles marode war, so wussten die meisten Belegschaften sehr genau, wo ihre Schwachstellen lagen, was man für eine erfolgreiche Zukunft hätte anders machen müssen. Diese Aufbruchstimmung entfachte eine enorme Kreativität, die sicherlich eine marktwirtschaftlich versierte Begleitung und etwas Geld erfordert hätte (auf jeden Fall Hunderte Milliarden weniger, als die Treuhand letztlich tatsächlich sinnlos verbrannte). Dieses Erwachen eines ganzen Volkes war so stark, dass in den Betrieben die allermeisten Strukturen und Arbeitsplätze hätte erhalten und das hunderte Milliarden schwere Volksvermögen der Ostdeutschen sogar hätte erfolgreich vermehrt werden können, wie es die ursprünglichen DDR-Statuten der Treuhand ja auch vorsahen. In den anderen Ostblockländer wurde genau so eine Vielzahl noch erheblich schlechterer Staatsunternehmen erfogreich in die Marktwirtschaft überführt. Aber das war politisch von den völlig dogmatisch privatwirtschaftlich denkenden Westdeutschen nicht gewollt. In Gestalt der Treuhand organisierten die neuen Machthaber den Büttel, der die Aufbruchstimmung im Land brutal zerstörte, 3 Millionen Arbeitsplätze liquidierte, die Ostdeutschen mit vollem Vorsatz um ihr gemeinsames Volksvermögen betrogen, den westdeutschen Steuerzahler noch viele Milliarden abzockte und viele, viele Hunderttausende Menschen in den neuen Bundesländern in tiefe Depression und Frust jagte! Und die dann übergestülpte unbewegliche Westbürokratie und das völlig überaufgeblähte und für Ostdeutsche z.T. bis heute undurchschaubare westdeutsche Gesetzesdickicht erledigte den Rest. Der Osten war wirtschaftlich tot, die dort in der Wirtschaft engagierten Menschen mehrheitlich gebrochen und Millionen von ihnen auf Jahre zu Almosenempfängern degradiert! Die Opfer dann nach diesem Akt wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Barbarei noch als "Jammer-Ossies" zu denunzieren und zu beleidigen, war vor 25 Jahren schon eine Unverschämtheit der BILD und (einiger) anderer Medien und zeugt im Jahr 2019 erst recht von einer erheblichen geistigen Verkommenheit und totaler menschlicher Unreife Ihres Gesprächspartners!

    1. Uwe Protsch
      Uwe Protsch · vor 5 Jahren

      "das hunderte Milliarden schwere Volksvermögen der Ostdeutschen" war völlig marode, weil die Jammerossis unter dem SED-Regime schlicht keinen Bock und keinen Anreiz zu produktiver Tätigkeit und zu achtsamen Umgang mit den Produktionsmitteln hatten.

      Klar sind viele Arbeitsplätze liquidiert worden, aber das war im Ruhrgebiet auch der Fall. Im Übrigen weise ich mal in diesem Zusammenhang darauf hin, welche gigantische Leistung der westlichen Steuerzahler es war, das heruntergekommene DDR-Gebiet mit Autobahnen und Bahnstrecken zu versorgen, die riesigen Umweltschäden zu beseitigen und neue Industrieansiedlungen wie z.B. für Infineon zu finanzieren.

      In der neuen Bundesländern muss niemand krasse Not leiden, was auch im 21. Jahrhundert aus diesem Planeten leider noch längst nicht überall der Fall ist. Dieser Zustand ist keine Selbstverständlichkeit, weshalb es unangebracht ist, ewig rumzumaulen und seine schlechte Laune an Flüchtlingen oder anderen Minderheiten auszulassen!

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