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Kurator'in für: Fundstücke Zeit und Geschichte
Seit der ersten Stunde als Kurator bei Forum dabei: Dirk Liesemer arbeitet als Journalist für Magazine wie mare und G/Geschichte. Er hat Politik, Philosophie und Öffentliches Recht studiert, die Henri-Nannen-Journalistenschule besucht, immer mal wieder in Redaktionen gearbeitet und ehrenamtlich eine Reihe von Recherchereisen mitorganisiert und begleitet. Bisher fünf Bücher, darunter "Café Größenwahn" (2023), ein Ausflug zu den großen Kaffeehausliteraten des Fin de Siècle. Foto: Andreas Unger
Die Journalistin Jessy Wellmer, die in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsen ist, wunderte sich, warum offenbar so viele Menschen zwischen Rostock und Dresden ganz anders auf den russischen Überfall blicken als sie selbst. Und weil sie so irritiert war über Rechtfertigungen, über Verständnis für Putin, über Misstrauen gegenüber der Berichterstattung, hat sie sich aufgemacht zu einer Erkundungsreise durch die gar nicht mehr so neuen Bundesländer.
Sie beginnt, was in diesem Falle geschickt ist, weil damit gleich ein persönlicher und ruhiger Ton gesetzt wird, mit einem Besuch bei ihren Eltern in Güstrow; sie trifft dann einen ehemaligen, frappierend herzlichen NVA-Mann, der noch immer den Westen sehr ablehnend sieht und gar von seinem Feindbild spricht, sie besucht auch den Silly-Gitarristen Uwe Hassbecker, der mal nicht nur über Putin redet, sondern auch von der russischen Gesellschaft, die immer schon wenig zu melden hatte. Wie repräsentativ die beiden und noch ein paar weitere Menschen sind, die Wellmer aufsucht, muss unklar bleiben, aber sie stehen sicherlich für bestimmte Milieus.
Für Einordnungen sorgen Gregor Gysi, der lustigerweise gerade aus der US-Botschaft kommt, die (ostdeutsche) Historikerin Silke Satjukow und am Ende resümierend der Ostbeauftragte Carsten Schneider. Sie alle sagen, dass der Blick der älteren Ostdeutschen auch mehr als drei Jahrzehnte nach dem Fall der Mauer von einstigen Erlebnissen geprägt ist. Auf die eigene Biographie blicken bekanntermaßen nur die wenigsten Menschen mit nüchterner Distanz.
Sehenswert ist die Dokumentation, zeigt sie doch, wie sehr selbst jene, die einen anderen, eher positiven Blick auf Russland haben, nach Worten ringen, um ihre Position deutlich zu machen, vielleicht auch, um sich selbst besser zu verstehen. Es sind deshalb auch nur ältere Menschen, die noch Erinnerungen an die DDR haben und an so manch einen propagandistischen Film über das "größte Land der Welt", eben an die Sowjetunion. Verwunderlich ist allerdings, warum sie dann nicht am Überfall Moskaus auf Kiew verzweifeln. Gibt es solch eine Person in Ostdeutschland denn gar nicht? Die Sowjetunion zurückhaben oder unter Putin leben, das will sicher niemand der Befragten.
Übersehen sollte man nicht, dass die Unterschiede zwischen Ost und West trotz allem gar nicht so groß sind, wie sie manchmal scheinen. Dies zeigen jedenfalls ein paar Umfrageergebnisse, die kurz eingeblendet werden: Die Frage etwa, ob von Russland derzeit eine Gefahr für den Weltfrieden ausgeht, wird von einer unzweideutigen Mehrheit im Osten wie im Westen bejaht – im Osten 77, im Westen 88 Prozent.
Wobei dieses Ostwestding ja ohnehin merkwürdig ist: Ich lebe in München und hier bezeichnet sich niemand als westdeutsch, sondern nur als süddeutsch. Und in Hamburg, wo ich meine Ausbildung gemacht habe, sagten alle, sie lebten in Norddeutschland. Ich selbst nenne mich zwar einen Westdeutschen, obwohl ein Teil meiner Familie aus Thüringen stammt. Aber ich bin halt in NRW aufgewachsen, und das liegt nun einmal weder im Norden noch im Süden noch im Osten.
Quelle: Jessy Wellmer Bild: ARD www.ardmediathek.de
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Ganz ehrlich? Diese Art von Journalismus (und eben NICHT das Gekreische von "Wir müssen reden") mag von jetzt an ein medialer Best Practice werden, wie im Besonderen die Öffentlichen für einen erneuten Gesellschafts-Dialog (Ost/West, Jung/Alt und Prekär/Mittelschicht/Oberschicht) sorgen können. Der Sendeauftrag ist hier von Frau Wellmer sehr engagiert umgesetzt (Sie gibt später bei Plasberg zu, dass diese Art von Vermittlung Ost/West und West/Ost sowas wie ihre Lebensaufgabe ist, sie also hier besonders "erfahren" ist). Ich glaube, man kann es besser kaum machen: Aussagen unkommentiert einsammeln, aber dann doch selber Experten nach Erklärungen fragen, dass finde ich, ja, ich nenne es so - sehenswert.
Und hier ist noch ein frei zugänglicher FAZ-Artikel zu Hart aber fair: www.faz.net/aktuell/fe.... Die Autoren beider Artikel wuchsen in der DDR auf und erlebten in ihrer Jugend die friedliche Revolution und die Nachwendezeit. Die Kommentare (nach Anmeldung lesbar) liefern ein Stimmungsbild der Leserschaft.
Jessy Wellmer u. A. waren Gäste bei Hart aber fair im Anschluss an die Doku:
www.ardmediathek.de/vi...
Vielen Dank für die Zusammenfassung dieser aufschlussreichen Doku. Auch die Schilderung deiner geografischen Verortung regt zum Nachdenken an.
Als Ausbildungs- und Arbeitsmigrant lebte ich in verschiedenen Ländern und Regionen. Ich hatte das Glück, auch in Ost- und Westdeutschland unterschiedliche Mentalitäten kennenzulernen. Es gibt sie ja selbst innerhalb des Ostens.
Warum ist nun das Anderssein ein für die Ostler übergreifend zutreffendes Thema? Sicher ist das aufgrund der Lebenserfahrungen bedingt. Die Kriegserlebnisse der Eltern- und Großelterngeneration mit den im allgemeinen viel größeren Zerstörungen als im Westen. Die Reparationen, der Wiederaufbau überwiegend aus eigener Kraft und in Kooperation mit der Sowjetunion. Das Gefühl der Vereinnahmung durch die Bundesrepublik. Die extrem hohen Anforderungen an Flexibilität nach den Umbrüchen in Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Usw. usf.
Das ist nur der Hintergrund von Befindlichkeiten, nicht der Inhalt der Dokumentation. Diese Gedanken brachten mich nochmal zurück auf Anne Applebaum. Mit Bezug auf Taras Schewtschenko schrieb sie über das Nicht-Dazugehören, die Anti-Elitärität der Ukrainer, die ihre Wurzeln im Russischen Imperium haben. Ihren Essay habe ich hier aufgegriffen: www.piqd.de/users/nnn.... Auch wenn es um ganz unterschiedliche Dinge geht und die Konstellationen der Zeitgeschichte verschieden sind (Separation vs. Wiedervereinigung), gibt es da etwa Parallelen?
Was hat es mit der deutsch-russischen Freundschaft auf Ewigkeit bei den Putin-Verstehern auf sich? Mit der (staatlich verordneten) deutsch-sowjetischen hat das bei der Masse der Leute nichts zu tun. Sie sprachen von "den Russen", wenn sie mit Aktivitäten der sowjetischen Besatzungsmacht nicht einverstanden waren oder es um andere weltpolitische Ereignisse ging. Sie vergaßen (und tun dies geflissentlich heute), dass auch Ukrainer, Weißrussen, Georgier und Soldaten anderer Nationalitäten Deutschland befreit hatten.
Das war sicher genauso wie im allgemeinen Sprachgebrauch der Alt-BRD. Einen Ex-General hörte ich in einer Fernsehsendung kurz nach dem Überfall auf die Ukraine sagen, "der Russe" sei einmarschiert.
Für mich war die deutsch-sowjetische Freundschaft eine Herzenssache. Ob nun in Donezk, Odessa, Moskau, Tbilissi, Baku oder Westsibirien, wo ich mich nicht nur kurzzeitig aufhielt, ertönten Trinksprüche auf den Frieden. Jung und Alt stießen auf die Freundschaft an, auch noch Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion. Der russische Krieg in der Ukraine hat mich unendlich traurig gemacht. Das Denkmal der ewigen ukrainisch-russischen Freundschaft in Kiew aus 1980 wurde im Sommer unter Anwesenheit des Bildhauers abgerissen.
Den meisten Menschen, die keine oder nur eine lose persönliche Beziehung zur (Ex-)Sowjetunion hatten, gibt ihr Streben nach Besitzstandswahrung den Antrieb, das Narrativ der Freundschaft oder verlässlichen Beziehungen zu Russland zu bemühen und auf der Straße über alles zu erheben. Das war meine Einschätzung nach der letzten rbb-Talkshow Wir müssen reden!
www.piqd.de/users/nnn....
Gute Doku.
"Man darf sich nur nicht vom Anfang täuschen lassen, an dem sie (Jessy Wellmer) ihre Eltern besucht, was zunächst vermuten lässt, hier abermals einen der im deutschen Journalismus inzwischen inflationären und oft nervenden Filme (beziehungsweise Texte) um das eigene Ich herum kredenzt zu bekommen.
Vielmehr bringt Wellmer mit diesem Einstieg das Thema auf den Punkt: Während ein Großteil jüngerer Ostdeutscher wie sie eindeutig Putin als Aggressor sieht, verurteilen ältere zwar auch den Krieg, sie suchen und finden allerdings auffallend häufig Erklärungen, die mindestens eine Mitschuld, wenn nicht gar die volle Verantwortung dafür beim Westen sehen."
Hier die FAZ-Rezension auf blendle:
https://blendle.com/i/...