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Fundstücke

Was Deutschland von Botswana lernen kann

Leonie Sontheimer
Freie Journalistin
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Leonie SontheimerSonntag, 07.07.2019

Grundsätzlich finde ich es sehr bedauernswert, dass in den deutschen "Leitmedien" so selten Geschichten aus dem Globalen Süden erzählt werden. Und wenn, dann ist meistens das Kriterium, dass die Geschichte irgendeinen "Deutschlandbezug" braucht. Das wiederum führt oft dazu, dass die Geschichten engstirnig werden.

Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Titel-Story des SZ-Magazins doppelt gelungen. Darin geht es um ein politisches Phänomen, das in Botswana für nationale Harmonie gesorgt haben soll – die Versetzung von Beamten in andere Regionen.
Die These: Deutschland, Europa, die USA, also alle Staaten, denen eine gesellschaftliche Spaltung zu schaffen macht, können von dieser Praxis lernen. Autor Bastian Berbner und Fotograf Matthias Ziegler zeichnen jedoch keineswegs ein rosarotes Bild. Sie treffen Lehrerinnen, die sehr unter ihrer Versetzung gelitten haben. Sie treffen aber auch Politiker, die ihren Ansatz rechtfertigen:

Das Wohl des Landes sei wichtiger als die Zufriedenheit des Einzelnen.

Berbner gelingt es, die Relevanz der Geschichte deutlich zu machen, ohne dass er eine konstruierte Verbindung zu Deutschland herstellen muss. Man lernt etwas über Botswana, über Nigeria, Mali und den Kongo. Und über Gesellschaften insgesamt.

Einzig die inflationäre Verwendung des Begriffs "Stamm" hat mich etwas irritiert. Der Begriff "Stamm" ist kolonial geprägt. Er ermöglicht es dem Sprechenden, sich in Abgrenzung vom "primitiven Stamm", als zivilisiert darzustellen. In Bezug auf Gesellschaften aus dem Globalen Norden wird nicht von "Stämmen" gesprochen. Dies tut Berbner in diesem Text aber versuchsweise. Doppelt verwirrend!

Wer sich mehr mit dem Begriff auseinandersetzen möchte, dem sei das  Lexikon "Wie Rassismus aus Wörtern spricht" von Nadja Ofuatey-Alazard und Susan Arndt empfohlen.

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Kommentare 2
  1. Frederik Fischer
    Frederik Fischer · vor mehr als 5 Jahre

    In Dänemark gibt es ein sehr ähnliches Modell für öffentliche Bedienstete. Insbesondere Jütland, der Festlandfortsatz, leidet unter Bevölkerungsschwund während Kopenhagen immer weiter an Anziehungskraft gewinnt. Bei den Betroffenen sind diese "Zwangsversetzungen" natürlich enorm unbeliebt.

  2. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor mehr als 5 Jahre

    Eine gute Reportage ist das, die mir etliches erzählte über Afrika.

    Übrigens in abgeschwächter Form gab es das in der DDR und im Ostblock. Das Studium war nicht nur kostenlos, sondern es gab Stipendien für alle, aber: Etliche Jahre musste man nach dem Abschluss arbeiten, dort, wo die Gesellschaft ihn brauchte.

    Das, aber auch anderes, kritisierte der Dichter Stephan Hermlin mit einer neuen Lektüre von Marx, der für entwickelte Gesellschaft folgendes Ziel formulierte:

    „Die Freiheit des einzelnen als Voraussetzung der Freiheit aller.“
    Vom Einzelnen, nicht vom Kollektiv dachte Marx die Gesellschaft.

    Funktioniert das für Botswana gerade im Vergleich mit Nigeria oder Mali Beschriebene nur in einer Entwicklungsphase von Stammesgesellschaften in moderne Formen des Zusammenlebens?

    Da der Ausdruck "Stamm" auch in anderen Bereichen wie in der Biologie verwendet wird, durch welchen Begriff soll er ersetzt werden?

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