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Wir brauchen ein neues Wohin

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergDienstag, 26.09.2017

Wer ist "Wir"? So heißt eine scharfsinnige Rede von Ingo Schulze, die ich am Wahltag auf diesem Kanal sendete. Nun ein Interview mit Claus Leggewie, das vor der Wahl und in Erwartung des tatsächlichen Ergebnis veröffentlicht wurde. Es geht um ein neues Wohin für ein möglichst großes Wir.

„Europa zuerst“ heißt das neue Buch von Leggewie, dessen Titel er interpretiert sehen will als

eine ironisch-heitere, aufgeschlossen in die Zukunft blickende Wendung, ein Statement gegen die autoritäre Welle, die rund um die Welt geht. Dabei ist eine Portion aufgeklärter Eurozentrismus durchaus angebracht und verträglich. Keine neoimperiale Überheblichkeit, die unsere fatale Kolonialgeschichte verdrängt, vielmehr selbstbewusste Bekräftigung einer Wertegemeinschaft, die aus ihren Fehlern gelernt hat.

Gut und schön, was aber genau schlägt der Sozialwissenschaftler vor? Zum Beispiel will er

die Automatisierung und den demografischen Wandel mit Konzepten eines garantierten Grundeinkommens ... bearbeiten, auf Basis einer Maschinensteuer und flankiert durch eine proaktive Einwanderungspolitik. Und mit einem erweiterten Erasmus-Programm das Megaproblem der Jugendarbeitslosigkeit anzugehen.

Man muss nicht allem zustimmen, aber seine Vorschläge sind eine brauchbare Basis. Ein Grundeinkommen zum Beispiel erscheint mir weniger geeignet als eine Ausweitung dessen, was Arbeit ist. Dennoch versucht hier einer, die Fragen der Zeit ohne Niedergangsrhetorik oder einer Politik der ganz kleinen Schritte anzugehen.

Die autoritären Bewegungen sind möglicherweise Schlangen, aber wir sind keine Kaninchen:

Die Ökologiebewegung, die Experimente nachhaltigen Lebens haben einen ganzen Strauß von Alternativen hervorgebracht. Es ist ein Jammer, wie eine bestimmte kulturintellektuelle Szene – zum Beispiel die gespreizten doomsday-Diskurse der Kunstbiennalen – sich unpolitisch in der Affirmation des Niedergangs gefällt, statt diese kreativen Aufbrüche zu beflügeln.

Wir brauchen ein neues Wohin

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Kommentare 3
  1. Moritz Orendt
    Moritz Orendt · vor 7 Jahren

    Danke, sehr wichtiger piq.

    Gerade in dem aktuellen Nachwahl-Gejammere brauchen wir jeden Artikel, der eine Alternative zur Alternativlosigkeit beschreibt!

    1. Ralph Diermann
      Ralph Diermann · vor 7 Jahren

      Im Lichte der Bundestagswahl frustriert mich das Interview eher. So überzeugend Leggewie die Notwendigkeit einer Hinwendung zu Europa beschreibt, so recht er hat mit seinen Argumenten – nach diesem Wahlergebnis sieht die Realität ganz anders aus. Union und SPD überbieten sich bei der Selbstgeißelung, die Sorgen der Bürger nicht ernst genug genommen zu haben. Und diese Sorgen lauten sicher nicht: zu wenig Europa. Oder zu wenig demokratisch-emanzipativer Aufbruch.

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 7 Jahren

      @Ralph Diermann Ich will ja keinen Zweckoptimismus verbreiten, aber der Ernst der Lage erkennt man im ersten Abschnitt des Interviews. Sie erwarten offensichtlich vor der Wahl, was dann gekommen ist.

      Da ja selbst viele, die AFD wählten, einen Denkzettel denen da "oben" verpassen wollten, gibt es in der Krise auch Möglichkeiten.

      Ansonsten gilt der Spruch der PARTEI:
      Die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber sie stirbt.

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