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Kurator'in für: Europa Fundstücke Kopf und Körper
Ich lebe in Marburg und schreibe über Gesundheit und Gesundheitspolitik.
Ich habe mein Talent zum Multitasking verloren. Ich glaube aber, es kommt langsam zurück. Inzwischen kann ich wieder ganze Sätze sprechen, während ich zwei Töpfe auf dem Herd überwache. Mein Covid verlief mild, ich fühlte mich aber noch länger ziemlich schlapp. Und das betraf auch meinen Kopf. Er war unkonzentriert, blieb mitten im Satz stehen, betrachtete die Tastatur und überlegte, wie noch einmal das große W geht. Inzwischen vertraue ich meinem Gehirn wieder, aber ich belade meinen Terminkalender vorsichtshalber nur zur Hälfte. Damit ich mehr Zeit habe für alles, auch zum Spazierengehen. Denn das hilft mir. Ich hatte wohl Brain Fog.
Ed Yong beschreibt in diesem ausgezeichneten Text das Phänomen noch sehr viel präziser. Es ist durch Covid berühmt geworden, wird aber noch genauso belächelt wie eh und je. Dabei setzt es manche Menschen regelrecht schachmatt, weil es die kognitiven Exekutivfunktionen beeinträchtigt.
Zu diesen Funktionen gehört zum Beispiel das Planen von Handlungen (beim Butterbrot kommt die Butter zuerst, dann der Käse; in die Kaffeemaschine kommt zuerst der Filter, dann der Kaffee und das kalte Wasser hinten in den Tank und nicht aufs Pulver). Oder das Behalten von Zwischenergebnissen (wenn man einen Satz beginnt, weiß man nach der Hälfte noch, wie er anfing und wie man ihn beenden wollte). Oder eben das gleichzeitige Jonglieren mehrerer Töpfe auf dem Herd, während man den Nachrichten folgen kann, die im Radio laufen.
Brain Fog ist also nicht das gleiche wie Vergesslichkeit oder Unkonzentriertheit. Es ist der Verlust von Hirnfunktionen. Dadurch verändert sich die Selbstwahrnehmung und die der Umwelt. Man verlässt sich nicht mehr auf seinen Verstand, wird unsicher, schämt sich, überfordert sich, fühlt sich gestresst oder außerstande zu arbeiten.
Brain Fog ist keine Bagatelle, aber hat es einen eigenen Krankheitswert? Wer nicht so schwer betroffen ist (so wie ich), behauptet vielleicht: Nein. Wer hingegen jahrelang unfähig ist, seinen gewohnten Alltag zu leben, der sagt in jedem Fall: Ja.
Das Problem ist nur: Um festzustellen, wie schwer man eigentlich betroffen ist, fehlen valide Tests. Die Tests für Alzheimer-Patient:innen passen nicht. Und selbst wenn man in Tests gut abschneidet, kann es sein, dass sie einen so sehr anstrengen, dass danach tagelang gar nichts mehr geht. Vor allem Long-Covid-Betroffene erleben diese Crashs. Doch der Zusammenbruch wird selten dokumentiert. Er kommt ja, wenn man wieder allein zu Hause ist.
Und das führt dazu, dass Brain Fog nicht ernst genommen wird.
This pattern exists for many long-COVID symptoms: Doctors order inappropriate or overly simplistic tests, whose negative results are used to discredit patients’ genuine symptoms. It doesn’t help that brain fog (and long COVID more generally) disproportionately affects women, who have a long history of being labeled as emotional or hysterical by the medical establishment. But every patient with brain fog “tells me the exact same story of executive-function symptoms,” Hellmuth said. “If people were making this up, the clinical narrative wouldn’t be the same.”
Quelle: Ed Yong EN www.theatlantic.com
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