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Kurator'in für: Europa Fundstücke Kopf und Körper
Ich lebe in Marburg und schreibe über Gesundheit und Gesundheitspolitik.
Bis Anfang des 20. Jahrhunderts lag auf der Schweiz eine Art Fluch. Nirgendwo sonst auf der Welt gab es so viele Menschen, die unter einer rätselhaften Krankheit litten. Sie hatten eine Schwellung am Hals, die so groß werden konnte, dass sie auf die Luftröhre drückte und zu rasselndem Atem führte: der Kropf.
Mindestens 30 Prozent der jungen Männer waren betroffen und auf jeden erkrankten Mann kamen statistisch gesehen drei erkrankte Frauen. Über 90 Prozent der Schüler:innen hatten eine unnormale Schwellung am Hals und 70 Prozent hatten bereits einen ausgeprägten Kropf. In manchen Gegenden kam eins von 10 Kindern mit einer Entwicklungsstörung zur Welt, blieb kleinwüchsig, hatte Knochenmissbildungen, Sprachstörungen, Schwerhörigkeit und geistige Beeinträchtigungen.
Viele dieser Menschen waren körperlich und geistig kaum belastbar, litten unter chronischer Erschöpfung und froren ständig. Die Wissenschaft rätselte: Warum ging es den Schweizer:innen so?
Der junge Allgemeinarzt Heinrich Hunziker, der in einer kleinen Alpen-Gemeinde praktizierte, hatte 1914 eine Theorie: Der Kropf entstand, weil dem Körper etwas fehlte, nämlich Jod. Jod war seit 1811 als Arzneistoff bekannt und wurde in verschiedenen Medikamenten bereits eingesetzt. Hunzikers Logik zufolge war der Kropf eine Vergrößerung des Schilddrüsengewebes und das Bemühen des Organs, den Jodmangel auszugleichen, indem es noch kleinste Mengen des Spurenelementes aus dem Blut zu fischen versuchte.
Hunzikers Theorie glich einer Revolution. Denn bis dahin herrschte die Überzeugung vor, Krankheiten entstünden aus einem komplexen Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren oder würden durch Infektionen verursacht. Dass sie durch Mangelernährung ausgelöst sein könnten, war ein neuer Gedanke und ging unter dem Namen „Schweizer Theorie“ in die Medizingeschichte ein.
Hunzikers Empfehlung, Speisesalz Jod zuzusetzen sorgte für Aufruhr, weil man eine Massenvergiftung fürchtete. Doch zwei Kollegen verhalfen der Schweizer Theorie schließlich zu ihrem Erfolg. Der eine konnte in einem Versuch herausfinden, mit welcher Dosis man den größten Therapieerfolg erzielen konnte (die niedrigste Dosis hatte den größten Effekt) und der andere beschloss mithilfe eines Kino-Vortrags die Menschen aufzuklären und tourte durch den Kanton Appenzell.
1922 sprach schließlich die Schweizer Kropfkommission eine Empfehlung für jodiertes Speisesalz aus und seit dem Jahr 1930 wurde kein Kind mehr mit den für die Jodmangelkrankheit typischen Behinderungen geboren. 1954 wurde die Jodmangeltheorie schließlich wissenschaftlich bewiesen. Durch chemische Bodenanalysen fand man zudem heraus, dass die Schweiz durch die Verbreitung der Eismassen in der Eiszeit, durch Tauprozesse und Erosionen circa 250 Meter ihrer Oberflächenschicht verloren hatte – und mit ihr das darin enthaltene Spurenelement Jod. Die Schweiz ist quasi jodfrei.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass auch heute noch 750 Millionen Menschen von Jodmangel betroffen sind. Hauptursache dafür: jodarme Böden, auf denen jodarme Lebensmittel wachsen. Vor allem Gegenden, die weit von Küsten entfernt liegen, haben mit Jodarmut zu kämpfen. Auch in Deutschland wird seit den 1980er Jahren jodiertes Speisesalz in der Lebensmittelindustrie eingesetzt und für Privathaushalte empfohlen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung stellte jedoch zuletzt fest: „Die Jodversorgung ist noch nicht optimal und weist eine rückläufige Tendenz auf.“
Die Geschichte hinter der Schweizer Theorie erzählt Jonah Goodman so meisterhaft und spannend, sie liest sich wie ein Krimi. Ich empfehle ganz dringend, sich mal eine halbe Stunde Zeit zu nehmen und sie in Ruhe zu lesen. Denn die Geschichte der drei Ärzte ist zeitlos. Heute steht die Wissenschaft wieder unter Druck und in Zeiten, in denen ein Impfgegner Gesundheitsminister der USA werden kann, brauchen wissenschaftliche Fakten jede Unterstützung, die sie kriegen können.
Mit dieser Empfehlung verabschiede ich mich von piqd/forum und winke dankbar allen zu, die dieses Forum zu dem gemacht haben, was es war: ein ganz besonderer Ort im Internet. Hier ging es immer zuerst um den Dialog. Hier wurden Meinungen nicht wie Felsbrocken nach anderen geworfen. Hier hörte man sich geduldig zu, selbst wenn man inhaltlich nicht hundertprozentig zusammenkam.
Ich weine piqd/forum wirklich hinterher ...
Quelle: Jonah Goodman Bild: Institut für Medi... www.tagesanzeiger.ch
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Danke, liebe Frau Jäger und alles Gute.
ja wir weinen gemeinsam... aber das beweist, dass es ein guter Weg war!
Danke Silke!