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Ageismus - über das Älterwerden und Diskriminierung in Deutschland

Natalie Mayroth
Journalistin & Kulturwissenschaftlerin
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Natalie MayrothMontag, 06.11.2023
Gerade mit der Eskalation des Konflikts zwischen der islamistischen Hamas und Israel, die zu einem Krieg im Nahen Osten geführt hat, wird in diesen Tagen wieder verstärkt über Antisemitismus gesprochen. Interessant ist aber dennoch dieser Beitrag über Altersdiskriminierung – auch Ageismus genannt. 

Ich habe früher oft erlebt, wie die 'Jungen' von spannenden Jobs ferngehalten wurden, bis nun langsam auch Deutschland der Fachkräftemangel erreicht und demnächst die Babyboomer in großer Zahlen in Rente gehen. Es wird immer deutlicher, dass es in Deutschland viele Fehlplanungen gab, wie beispielsweise im Lehrerstand oder im öffentlichen Dienst.

Was sich aber auch als Phänomen in der Gesellschaft bemerkbar macht ist, dass: 

Etwa 15 Prozent aller Anfragen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes betreffen das Thema Altersdiskriminierung. Wir haben aber kaum Debatten darüber. In anderen Ländern wird dagegen über das Thema unter dem Begriff „Ageismus“ seit Jahren geforscht. Das brauchen wir auch in Deutschland. Denn wir haben hier über 18 Millionen Menschen, die über 60 Jahre sind – und laut unserer Studie in Teilen ganz eindeutig von Altersdiskriminierung betroffen sind, 

sagt die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman. Sie spricht im Interview mit der Apothekenumschau über unbewusste Vorurteile gegenüber dem Alter. Und man kann sich da auch sehr schnell selbst ertappen. Es lohnt sich, sich darüber mehr Gedanken zu machen. Warum sollte eine Person ab 50 Jahren in Deutschland als schwer vermittelbar gelten? Oder aufgrund seines Alters Probleme auf dem Wohnungsmarkt oder bei der Beschaffung einer Kreditkarte haben? 

Ich frage mich aber auch: Reden wir hier zum Teil von einer Generation/Generationen, die das Land sehr lange in der Hand hatte/n – und nicht aus der Hand geben wollte/n? An der heute eher negativen Sicht auf das Alter wird sich dadurch aber nichts ändern. Und jünger werden wir auch nicht.
Ageismus - über das Älterwerden und Diskriminierung in Deutschland

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Kommentare 18
  1. Laura L
    Laura L · vor einem Jahr

    Ich finde wir sollten genau hinschauen was “Diskriminierung” ist.

    Laut Fr. Ayanna: “Konkret bedeutet Altersdiskriminierung, wenn Menschen ohne einen sachlichen Grund nur wegen ihres Alters im Job oder bei Alltagsgeschäften benachteiligt werden.”

    Ok, also zB wenn eine ältere Person “Ohne sachlichen Grund” den Job nicht kriegt.

    Man sollte nicht vergessen, dass jemanden einzustellen aus Unternehmenssicht eine Investition ist. Die Person muss angelernt werden, etc.. Der Return on Invest ist höher, wenn die Person danach 20 Jahre für das Unternehmen arbeitet, als wenn sie nach 10 Jahren in Ruhestand geht. Das ist ein ökonomisch nachvollziehbarer Grund und - laut Definition oben - keine Diskriminierung.
    Vllt ist die ROI Rechnung nicht richtig (wertet die Erfahrung des Menschen zu niedrig, etc.), aber dann muss man eben da ansetzen & nicht beim Gesetz. Die Lösungsansätze sind andere.

    Außerdem finde ich wichtig zu differenzieren, weil das sonst (zu Recht) Backlash auslöst. „Ok Boomer, du findest es also beides gleichermaßen diskriminierend?
    1. wenn du mit 60 den Job nicht kriegst weil du älter bist als der andere
    2 wenn ich genauso gute Arbeit leiste wie mein männlicher Kollege, aber bei der Beförderung übergangen wurde nur weil ich eine Frau bin
    Nein, das ist nicht das gleiche.

    1. Ferdinand H
      Ferdinand H · vor einem Jahr

      1. Geht der Trend dahin das sowieso nicht mehr als 10 Jahre in Unternehmen gearbeitet wird.
      2. Arbeitet jemand mit 50 noch 17 Jahre, Tendenz stark steigend.
      3. Bringt jemand Ü50 Erfahrungen mit, insofern wurde in diese Person bereits investiert, sie bringt quasi Geld mit (um in der Logik zu bleiben).
      4. Einen Diskriminierung mit einer anderen Diskriminierung auszuspielen ist ein lose-lose Game.

      Die Trennlinie in unserer Gesellschaft verläuft zwischen Arm und Reich, nicht so sehr zwischen den Generationen. Aber es ist natürlich bequemer es auf die Generationen zu schieben.

    2. Laura L
      Laura L · vor einem Jahr

      @Ferdinand H Zu 1. bis 3.: Ja, absolut (wie ich oben geschrieben hatte, ist die ROI Rechnung vllt nicht ganz korrekt/zu kurz gedacht. Aber es gibt ganz offensichtlich eine & die würde wahrscheinlich auch nach Überarbeitung Pro-Jüngerer ausfallen). Aber mE löst man das nicht, indem man Ageism-Antidiskriminierungs-Gesetze fordert. Denn (wie ebenfalls oben geschrieben), ist eben fragwürdig, ob es sich hier um Diskriminierung handelt (denn es gibt aus Unternehmenssicht eine ökonomische Rationale). Ich fände andere Ansätze sinnvoller & vielversprechender

      4. S.o. bzgl. Definition. Wir müssen genau hinschauen. Denn es gibt in der Gesellschaft viele Diskussionen um Diskriminierung. Solche Vorwürfe werden gerne genutzt, um Whataboutism zu betreiben & abzulenken. Provokant gesagt: Wenn ein 60j, weißer, hetero, cis-Mann sich beschwert, dass er aufgrund seines Alters beim Job-Interview (vermeintlich) schief angeguckt wurde, dann war das bestimmt schwer für ihm - denn das ist ja ne ganz neue Erfahrung.

      Zum Nachsatz: Hier vermischen wir wieder Dinge. Ageism & Altersarmut (oder worauf willst Du hinaus?). Es gibt definitiv eine Trennlinie Arm/Reich. Und eine Jung/Alt (siehe FFF& Last Generation, wokeness, etc.)

  2. Hildi Winterbottom
    Hildi Winterbottom · vor einem Jahr

    Als weiblicher Mensch war mein gesamtes Leben von Diskriminierungen geprägt, in allen Lebensphasen jedoch mit unterschiedlichen Ausprägungen, je nach Herkunft, Ausbildung und Beruf, aber im Alter auf spezielle Weise.

    … Da in unserer Gesellschaft primär leistungsorientierte Skalen angelegt werden, sind die medialen Bewertungen von älteren Menschen kaum angemessen. Es fehlen objektive Bezugsrahmen und vor allem Kenntnisse. Medien reflektieren relativ hilfslos nach intransparenten Kriterien. Der Artikel in der Apotheken Umschau ist schon okay, fokussiert jedoch auf den beruflichen Kontext.

    … Diskriminierung älterer Menschen ist jedoch in allen Lebensbereichen auch außerhalb von beruflichen Kontexten alltäglich und vor allem durch fehlende Wertschätzung der älteren Menschen und ihrer Lebensinteressen geprägt. Das trifft auf beide Geschlechter zu, jedoch in unterschiedlicher Weise.
    Das Älterwerden und Altern sind wie Kindheit und Jugend Durchgangsphasen des Lebens mit speziellen Bedürfnissen. Unsere westlichen Gesellschaften stellen zwar soziale Sicherungssysteme für eine wirtschaftliche Absicherung im Alter zur Verfügung, die jedoch zwingend an beitragspflichtige Beschäftigung gebunden sind, und deshalb nicht alle sozialen Gruppen der Gesellschaft ausreichend berücksichtigen.

    … Ein anderer Bereich, in dem ältere und alte Frauen diskriminiert werden, ist die öffentliche sozusagen außerhäusliche Sphäre. Besonders in der dunklen Jahreszeit ist die Verkehrssicherheit für Fußgängerinnen durch unzureichende Beleuchtungen von Gehwegen und Stolperstellen auf viele öffentlichen Wegen nicht sichergestellt. Aber auch bei Tageslicht berücksichtigt die zeitliche Taktung von Ampelanlagen (zB Durchgangsverkehr) das Gehtempo von Älteren in den allermeisten Fällen nicht, geschweige denn das Tempo von Gehbehinderten oder Menschen mit Kinderwagen oder Rollator.

    … Als letzten Bereich möchte ich die elektronischen Medien und deren fehlende Inklusivität gegenüber älteren Personen nennen. Die Sehkraft nimmt bekanntlich sehr früh im Leben schon ab. Deshalb sind geeignete (und schicke) Brillen seit langem ein Segen für alle.
    Leider sind jedoch diejenigen, die schicke Schriftbilder, Graphiken und kunstvolle Webdesigns (konstrastschwach Typos, unruhige Bildgebungen, unstrukturierte Layouts) entwickeln, noch zu jung um zu realisieren, dass sie nicht für alle ein Gewinn oder eine Freude sind, wenn sie den Zugang zu wichtigen Informationen behindern. Das hat manchmal schon die Gleichstellung der Exklusion von Älteren mit sehbeschränkten bzw. blinden Menschen zur Folge.

    … Lange Rede, kurzer Sinn. Ageism oder deutsch: Ageismus ist beschämend für unsere Gesellschaft. Kern dessen ist die fehlende Wertschätzung von Lebensleistungen, die jenseits rein beruflicher Dimensionen liegen.
    Wertschätzung von Kindheit und Jugend sind leichter, weil Kinder und Jugendliche die Zukunft und die Hoffnung repräsentieren.
    Wertschätzung für Ältere und Alte darf nicht nur wirtschaftlich determiniert bleiben, sondern muss die Vorteile eines langen Lebens in den Vordergrund stellen. Welche sind die „Lessons learned“, wie kann Glück gelingen, wie können Erfahrungen zu Wachstum und Reife führen, kann man sich auf das Älterwerden und Altern freuen?

  3. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor einem Jahr

    Irgendwie scheinen in Deutschland alle Menschen diskriminiert zu werden …..

    1. Natalie Mayroth
      Natalie Mayroth · vor einem Jahr

      Hoffen wir es nicht!

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr · bearbeitet vor einem Jahr

      @Natalie Mayroth Zumindest gefühlt scheint es aber so. Ich überlege gerade, welche Gruppe sich noch nicht diskriminiert gefühlt hat? 🤔

    3. Natalie Mayroth
      Natalie Mayroth · vor einem Jahr

      @Thomas Wahl ... so ein Gefühl kann sich schon einschleichen, aber wenn es darum geht, dass Frauen mit 40 Jahren beispielsweise in der Filmbranche als zu alt gelten oder ältere Menschen Probleme auf dem Wohnungsmarkt haben, kann das sehr wohl Diskriminierung sein, die benannt werden muss –wobei die Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche bei der angespannten Lage gerade wohl viele haben.

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      @Natalie Mayroth Ich schließe ja Diskriminierung nicht aus.

      Wenn allerdings jeder, jedes mal, wenn ihm ein Vorurteil begegnet auf Diskriminierung schließt, dann wäre das Leben unerträglich. Die allermeisten Entscheidungen, die wir fällen, basieren auf Vorurteilen und nicht auf tiefgründigen ad hoc-Analysen. Vorurteile sind gewissermaßen konstituierend für komplexe Gesellschaften. Und je mehr sich die Gesellschaft ausdifferenziert, um so mehr kleine und vielfältige Gruppen/Gemeinschaften entwickeln sich. Jede hält sich und ihre Sichten für bedeutend und richtig. Wenn wir nicht lernen, mit Vorurteilen tolerant umzugehen, diskriminierende Vorurteile von "normalen" oder auch verständlichen Vorurteilen zu unterscheiden, wird das Leben bald komplett zum Kultur- und Interessenkonflikt.

    5. Monika Kienle
      Monika Kienle · vor einem Jahr

      @Thomas Wahl Ich habe den Eindruck, dass nicht die, die auf mögliche Diskriminierung hinweisen empfindlich sind, sondern die, die den ungewohnten Gedanken ablehnen, bevor sie die Dimension der Gewohnheit betrachtet haben.

    6. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      @Monika Kienle Welchen ungewohnten Gedanken? Das Vorurteile allgegenwärtig sind und selten eine Diskriminierung?

    7. Monika Kienle
      Monika Kienle · vor einem Jahr

      @Thomas Wahl Ich halte Diskriminierung für eine wichtige Feststellung, weil dann die Auswirkungen meist mit Daten und Fakten hinterlegt werden. Und ja, wir entdecken immer mehr Diskriminierung und genau das ist eine persönliche Herausforderung, weil sie Denk- und Verhaltensgewohnheiten aufdeckt. Aber wenn es benannt ist, können politische Veränderungsprozesse beginnen.

      Vorurteile beruhen gerade nicht auf Fakten, sondern auf Annahmen, Mythen oder Verallgemeinerung besonderer Vorfälle. Diese als normal, ja sogar "verständlich" stehen zu lassen, ist eine gefährliche Faulheit im Kopf. Dafür auch noch Toleranz zu fordern, kann ich nicht stehen lassen.

      Und dann gibt es das Stereotyp. DAS brauchen wir, um Komplexität zu reduzieren und für die Pointen. Eine Gesellschaft ohne Humor wäre eine Katastrophe.

    8. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      @Monika Kienle Ich glaube, da kommen wir nicht wirklich zusammen. Mit der Diskriminierung ist es ja so, das erst Daten über Unterschiede vorliegen und diese dann einer Diskriminierung zugeschrieben werden. Man mißt also eigentlich Ungleichheiten, die teilweise auch auf Diskriminierungen zurückgeführt werden können. Aber eben auch auf persönliches Verhalten, ungleiche Fähigkeiten etc.. Letztendlich beruht also die jeweilige Identifizierung von Diskriminierung oft genau so auf (normativen) Annahmen, Vorurteilen und Wunschvorstellungen von Gleichheit. Für eine Gesellschaft, die jetzt immer mehr Diskriminierungen entdeckt und die als ganz wichtiges gesellschaftliches Anliegen jetzt alle ausgleichen will, sehe ich eher schwarz. Vermute aber, dass ein großer Teil der Bevölkerung gar nicht so streng sieht. Trage es daher noch mit Humor ….. ;-)

    9. Hildi Winterbottom
      Hildi Winterbottom · vor einem Jahr

      @Thomas Wahl Das stimmt! Vorurteile gibt’s sehr viele, falsche Annahmen und Erwartungen. Daraus kann jedoch diskriminierendes Verhalten entstehen. Menschen sind schon sehr komplizierte Lebewesen 🙄 -

      und echt jetzt: wieso „wird … bald“?
      „Kultur. und Interessenkonflikt“ ist doch schon längst oder sehr sehr lange schon, ist eigentlich leider konstituierendes Merkmal von Menschsein, oder nicht?

    10. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      @Hildi Winterbottom Ja, so ist es. Es kann wirklich diskriminierendes Verhalten entstehen oder das Verhalten kann als diskriminierend empfunden werden. Was oft schwer zu entscheiden ist. Wenn ich alle von mir zunächst als "diskriminierend" empfundenen Vorurteile im Leben ernst genommen hätte, wie deprimierend und eng wäre das Leben gewesen? Und wieviele Leute hätte ich nicht richtig kennengelernt, wenn ich ständig Angst gehabt hätte, jemals etwas zu äußern, was diese als Diskriminierung mißverstehen könnten?

    11. Hildi Winterbottom
      Hildi Winterbottom · vor einem Jahr

      @Thomas Wahl Reden hilft 😉. Danke für die Antwort.

    12. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor einem Jahr

      wenn es so ist - gut, wenn wir darüber reden!

  4. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor einem Jahr

    Super IV! Danke.

    ...ich habe es schon viel früher erlebt, also etwa ab 50, dass man im digital-unternehmerischen Kontext, auf Konferenzen und Messen, als "alter weißer Mann" nicht mehr so ganz ernst genommen wird, bzw. einem ein entsprechendes Misstrauen entgegengebracht wird. Kann das auch nachvollziehen und ich will ganz sicher nicht von Diskriminierung sprechen. Aber Vorurteile sind halt immer eher so ungeil und persönlich unangenehm ist es auch. Unabhängig von meiner Person: bei Digitalisierung und anderen Change Prozessen sind Ältere einfach im Vorteil, weil sie erlebt haben, wie es vorher war. Der Mehrwert einer offenen Kollaboration zwischen den Generationen liegt auf der Hand: die einen haben "natürlich" mehr Erfahrung, wie die anderen "natürlich" mehr Kraft.

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