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Literatur

Ende einer Illusion

Thomas Durgeloh Oliva

Community piqer für: Literatenfunk, Volk und Wirtschaft, Zukunft und Arbeit, Wissenschaft und Forschung, Europa

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Thomas Durgeloh OlivaFreitag, 15.09.2017

Politik, Unternehmen, aber auch Umweltbewegungen sowie einschlägige Ökoratgeberbücher setzen seit vielen Jahren auf die Macht der Konsumenten, die durch bewusstes Konsumieren zu einem nachhaltigen Wirtschaften führen sollen. Der ursprüngliche Gedanke von Konsumentendemokratie, unlautere Praktiken von Konzernen in öffentlichen Kampagnen anzuprangern, wurde verdreht in Appelle, nur mehr ökologische und ethisch einwandfreie Produkte zu kaufen. Das ist nicht falsch, greift aber zu kurz, wie einschlägige Analysen zeigen. Der Markt reagiert zwar und produziert nun auch für die Nische der nachhaltigkeitsbewussten Konsumenten, aber eben nur in einer Nische. Zudem besteht die Gefahr des „Greenwashing“, wie die Journalistin Kathrin Hartmann aufgezeigt hat („Das Ende der Märchenstunde. Wie die Industrie die Lohas und Lifestyle- Ökos vereinnahmt“, 2009).

Armin Grunwald, Direktor des Büros für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestags, schlüsselt in „Ende einer Illusion. Warum ökologischer Konsum die Umwelt nicht retten kann“ (2012) die Gründe dafür auf, warum das Setzen auf bewussten Konsum nicht reicht bzw. sogar in die Irre führt. Nachhaltiger und umweltbewusster Konsum ist absolut notwendig, wenn eine Trendwende erreicht werden soll. Die gegenwärtige Debatte zum nachhaltigen Konsum läuft jedoch in die falsche Richtung. Sie schiebt den individuellen Konsumenten eine Verantwortung zu, die sie weder tragen wollen noch können.“ Damit umreißt der Autor die zentrale These seines Buches (S. 13). Der Experte konstatiert diese Verantwortungsabschiebung als Folge der Enttäuschung über die Wirkmächtigkeit von Politik, Wirtschaft und NGOs seit Beginn der Debatten über Nachhaltigkeit.

Er beschreibt Fallen im Diskurs über Nachhaltigkeit – vom Glauben an Information über falsche Moralisierung und Drohgebärden über den Weltuntergang bis hin zu Gewissensberuhigung und Ablasshandel – Muster, die kulturgeschichtlich bereits im Alten Testament grundgelegt worden seien, doch in Bezug auf den notwendigen Wandel wenig hilfreich seien: „Alarmismus und Katastrophismus sind wiederkehrende Muster, an die wir uns fast gewöhnt haben. Sie gehören geradezu zum Inventar unserer Medienwelt und der Moralisierung.“ (S. 54) Grunwald zitiert beispielsweise eine Meldung der BILD-Zeitung aus dem Frühjahr 2007, als gerade ein neuer IPCC-Bericht erschienen war: „Schafft es die Menschheit nicht bis zum Jahr 2020, den Treibhauseffekt zu stoppen, löscht sie sich selbst aus – unter entsetzlichen Qualen.“ 

Die Moralisierung des Konsums führe dazu, dass wir uns permanent selbst befragen müssen, was der Gewissenserforschung im Beichtstuhl ähnle, der Ablasshandel sei daher die logische Konsequenz, etwa durch die Leistung von CO2-Ausgleichzsahlungen für Flüge. Grunwald zweifelt nicht an der Notwendigkeit eines nachhaltigeren Konsums, jedoch daran, ob der moralische Druck das richtige Mittel sei und nennt als wesentliche Hürde das Mobilisierungsproblem („Nur als Massenphänomen kann nachhaltiger Konsum den Erwartungen entsprechen.“ S. 65), die Überforderung der Konsumenten, die bei Konsumentscheidungen etwa unter Zeitdruck stünden, der Mangel an Systemwissen („Um Wasser zu sparen, wäre es beispielsweise sinnvoller, weniger Fleisch zu essen als weniger zu duschen.“ S. 72) sowie Bumerang- und Reboundeffekte (Aufwiegen der Effizienzgewinne durch mehr Konsum).

Schließlich führe Freiwilligkeit zum Trittbrettfahrer-Dilemma. Als Hauptproblem sieht Grundwald jedoch den „Trend zur Selbstberuhigung“: „Je stärker die Nachhaltigkeits-, Umwelt- und Klimaprobleme sichtbar werden, umso mehr wird über nachhaltigen Konsum geredet.“ (S. 87) Es gehe aber darum, den Kurs des „Tankers“ namens Menschheit oder Weltgesellschaft zu ändern: „Der Kurs betrifft das Ganze, und das ist immer eine öffentliche Angelegenheit mit all den Anforderungen an Dialog, Transparenz und Legitimation, die keine Sache des privaten Konsums ist.“ (S. 89)

Da der Kurs uns alle gleichermaßen betreffe, seien wir nicht als Konsumenten, sondern als Bürger gefragt. Das Engagement auf öffentlichen Plattformen, in Dialogen, in (Massen)-Medien sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen mache dabei ebenso Sinn wie das Drängen auf neue Gesetze (das deutsche EEG nennt Grunwald dabei als Vorbild). Letztlich sei eine Art TÜV der Nachhaltigkeit für alle neuen Gesetzesvorhaben nötig, die Nachhaltigkeitsprüfung sei in die Gesetzesfolgenabschätzung zu integrieren. Der Experte verweist schließlich auf etwas, was in der Politik wohl unterschätzt wird, nämlich, „dass viele Menschen den Sinn (nachhaltigkeits)-politischer Maßnahmen durchaus einsehen, auch wenn sie zunächst zu individuellen Nachteilen führen“ (S. 99). Als Beispiel nennt er Steuererhöhungen: „Niemand begrüßt sie, aber wenn es gute Argumente gibt und sie demokratisch beschlossen und verbindlich umgesetzt werden, werden sie akzeptiert.“ 

Ende einer Illusion

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