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Medien und Gesellschaft

Politikerïnnen, die sich wünschen, die Jugend wäre politikverdrossen

Felix Schwenzel
Internetadept

Ich schreibe seit 1995 gern ins Internet.

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Felix SchwenzelMittwoch, 22.05.2019

2009 dachte ich, wir wären wütend. Ursula von der Leyen wollte das Internet sperren, die Vorratsdatenspeicherung wurde durchgepeitscht und „wir“, Menschen, die im Internet lebten, politisierten uns (ein bisschen). Viele, ich auch, setzen Hoffnungen auf die 2006 gegründete Piratenpartei und dieser Tweet von Max von Webel, fasste das vorherrschende Gefühl damals perfekt zusammen:

Ihr werdet euch noch wünschen wir wären politikverdrossen.

Meine leisen Hoffnungen auf Wandel, auf eine kluge Digital- und Gesellschaftspolitik, zerbrachen bei der Bundestagswahl 2009 am „weiter so!“ der Mehrheit. Die Piraten landeten bei 2 % und damit in der Bedeutungslosigkeit (mit mindestens einer erfreulichen Ausnahme).

Jetzt habe ich wieder Hoffnung, weil sehr viele junge Menschen sehr wütend sind — auf eine konstruktive Art. Diesmal geht es nicht nur um verfehlte Digitalpolitik, sondern auch um realitätsverachtende, shruggige Klimapolitik. Der aktuelle Höhepunkt dieser Jugendwut ist ein einstündiges Video, das derzeit durch alle Timelines rauscht und viele Politikerïnnen wieder eine politikverdrossene Jugend herbeiwünschen lässt. Jugendwut äußert sich, ganz anders als vor 40 Jahren mit introvertierter Wut und No Future, jetzt extrovertiert, konstruktiv und fordernd unter dem Motto For Future.

Das Video des 26-jährigen YouTubers Rezo erzürnt derzeit Groß und Klein in der CDU, aber Hannes Schrader erklärt auf Zeit Campus warum Politikerïnnen der CDU sich genau überlegen sollten, „wie sie damit umgehen, dass ein junger Mensch mit seiner Kritik an ihnen sehr erfolgreich ist“. (Tipp von mir: die Kritik Ernst nehmen.)

Hannes Schrader erklärt auch, was an der Kritik Rezos „überspitzt, wütend und unfair“ ist — und warum das gut so ist:

Seine Zuschauer [sind] junge Menschen, die das Gefühl haben, die alten Politiker, die keine Ahnung von ihrem Leben haben, machen ihnen das Internet und ihre Zukunft kaputt. Sie sind Teil einer Generation, die gemerkt hat: Nur wenn wir wütend sind, hört uns jemand zu.
Politikerïnnen, die sich wünschen, die Jugend wäre politikverdrossen

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Kommentare 4
  1. Daniela Becker
    Daniela Becker · vor mehr als 5 Jahre
  2. Nutzer gelöscht
    Nutzer gelöscht · vor mehr als 5 Jahre

    Interessanterweise wird Rezo immer für seine angebliche "Vereinfachung" von Sachverhalten kritisiert, das witzige daran ist aber, dass sich alle seine Behauptungen nachlesen lassen und gut belegt sind.
    Aber anstatt sich mit dem Inhalt auseinanderzusetzen verweisen Politiker stattdessen auf seine blauen Haare und versuchen, ihn in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Die Frage ist nur, wann die CDU endlich realisiert, dass ihre Zeit vorbei ist.

    1. Felix Schwenzel
      Felix Schwenzel · vor mehr als 5 Jahre

      ja, dass viele reaktionen sich auf diskreditierung und pauschale unterstellungen von ungenauigkeit, zuspitzung und mangelnde fairness reduzieren ist enttäuschend. aber gerade der gepiqte text von hannes schrader macht genau das eben nicht. er bennent die ungenauigkeiten exakt, aber auf augenhöhe, sachlich und mit verständnis.

      auch der CDU zeigt er einen möglichen ausweg: zuhören, verstehen, aushalten und die probleme angehen („überwinden“) — so haben volksparteien das auch in anderen krisen hinbekommen, von denen es in der jüngeren vergangenheit ja auch einige gab.

      ich würde der politik (nicht nur der CDU) wünschen, dass sie die wucht der bewegung als chance begreifen und das momentum dafür nutzen das richtige zu tun, statt sich nur dagegen zu stemmen und zu winden.

  3. Nutzer gelöscht
    Nutzer gelöscht · vor mehr als 5 Jahre

    Daumen hoch, wir brauchen mehr so differenzierte, unaufgeregte und bestärkende Reaktionen auf die Wut der Jugendlichen!

    Wenn die einzige Reaktion der CDU auf das Video bisher ist, einem nicht vordergründig politikaffinen Youtuber Unfairness und Fakenews aufgrund des Fehlens einer politikwissenschaftlich objektiven, detailgenauen und bitte aber vollständigen Analyse vorzuwerfen, dann hat das Video wohl ins Mark getroffen.

    Das ist so himmelschreiend hilflos, denn wenn alle Abgeordneten der CDU als Jobqualifikation diesen Grad an Professionalität erfüllen müssten, den die Kommentatoren hier von Rezo fordern, dann wäre der Bundestag morgen halb leer. Und darüber, wie viele von denen es überhaupt schon einmal geschafft haben, selbsständig 13 Seiten selbstrecherchierter Quellenangaben zusammenzutragen, könnte ein böser Mensch an anderer Stelle vielleicht auch einmal polemisieren... Aber das nur am Rande, ich schweife ab.

    Ich hoffe, Philipp Amthor hört auf den Rat von Hannes Schrader und greift zum Hörer statt zur Kamera. Wobei ich wohl aber auch wieder zu viel Fähigkeit zur Demut voraussetze.

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