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Medien und Gesellschaft

Sich einfach nur Einzelbegriffe anzuschauen, reicht nicht

Dirk Liesemer
Autor und Journalist
Zum Kurator'innen-Profil
Dirk LiesemerSamstag, 06.02.2021

Der gepiqte Text ist zwar ein paar Wochen alt, aber er passt ganz gut zu der Debatte, die Michaela Maria Müller gerade angestoßen hat: "Roma bedeutet einfach Mensch". Es geht dabei um die Frage, ob man manche Begriffe besser nicht mehr verwenden sollte. Oder wenn, dann nur noch nahezu unkenntlich abgekürzt mit dem ersten Großbuchstaben und einem Punkt. Dahinter steht die Befürchtung, dass bestimmte Begriffe per se menschenfeindlich sind.

In dem Interview zählt der Sprachwissenschaftler Thomas Niehr ein paar Begriffe auf, die niemand ohne Anführungszeichen verwenden sollte: "Blut und Boden", "Volk und Raum" sowie "völkisch". Er hätte auch noch "Führer" nennen können. Allesamt Wörter und Slogans, die vom NS-Regime geprägt wurden und die für ihre Politik stehen. Tabu sind also dezidierte NS-Schöpfungen.

Grundsätzlich wirbt Niehr dafür, sich nicht nur einzelne Begriffe anzuschauen, sondern den Kontext zu beachten, in dem sie verwendet werden. Alles andere führe in die Irre. Er macht dies etwa an Begriffen wie "Asylant", "schwul" und "links-grün-versifft" klar.

Das Interview zeigt: Letztlich sind Begriffe nicht so eindeutig, wie es manch einer oder manch eine gerne hätte, vielmehr sind sie wandelbar, besitzen teils widersprüchliche Bedeutungsnuancen und hängen nicht zuletzt von der Motivation des Sprechenden ab. Dass eben diese Motivation oft nicht klar erkennbar ist, versteht sich wiederum von selbst. Es hilft also wenig, bestimmte Wörter am liebsten abschaffen zu wollen. Zumal sich Abkürzungen wie "Z.", "N." oder "P." problemlos zu Schimpfwörtern ummünzen lassen.

Sich einfach nur Einzelbegriffe anzuschauen, reicht nicht

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Kommentare 6
  1. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor fast 4 Jahre

    Sehr spannendes Interview. Und die Sache mit Kontext ist aus meiner Sicht krude unterbelichtet im Diskurs.
    Das Weidel die Messermänner testweise formuliert hat, die Meinung teile ich nicht. Das ist glaube ich banaler - ihre eigene Haltung und das Wissen um die Ängste und die Chauvinismen ihrer Follower haben das hervorgebracht und ich befürchte, es hat ihr genutzt.

    Zu deinem piq sind mir 2 Dinge aufgefallen...

    "Es hilft also wenig, alle möglichen Wörter zu verbieten."
    ist eins verboten oder wird ein Verbot aktuell betrieben? Mir fällt dauernd auf, dass die Relativierer von "neuer Sprache" von Verbot und Zwang und im nächsten Moment von drohendem Totalitarismus sprechen.

    "Dahinter steht die Befürchtung, dass bestimmte Begriffe per se menschenfeindlich sind."
    Ist das so? Steht nicht viel mehr die Erkenntnis dahinter, dass bestimmte Begriffe bestimmte Menschen verletzen?

    1. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor fast 4 Jahre · bearbeitet vor fast 4 Jahre

      Hallo Markus, zu eins: im juristischen Sinne sicher nicht, aber in einem moralischen Sinne stehen einige Wörter unter Beschuss. Und zu zwei: Ja, das hätte ich vielleicht anders formulieren können, allerdings dann: "dass sich einzelne Menschen von bestimmten Begriffen verletzt fühlen".

    2. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor fast 4 Jahre

      @Dirk Liesemer über "einzelne" oder "bestimmte" Menschen will ich jetzt nicht streiten...

      Siehst du es auch, dass es problematisch ist, wenn da immer von Verbot und Zwang die Rede ist, wo eben tatsächlich Kritik und Druck sind? Finde es übrigens auch problematisch, dass sich "auf der anderen Seite" nicht klarer abgegrenzt wird gegen Verbot und Zwang.

    3. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor fast 4 Jahre

      @Marcus von Jordan "Kritik" und "Druck" klingt mir zu harmlos, vor allem wenn man sich mal die polemischen Twitter-Debatten vergegenwärtigt.

    4. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor fast 4 Jahre · bearbeitet vor fast 4 Jahre

      @Marcus von Jordan Ich habe das jetzt mal ein bisschen weicher formuliert ohne das Wörtchen "zu verbieten", weil es ja doch immer heftige Reaktionen hervorruft. Mir ist auch der gepiqte Text wichtiger ist als mein Piq - und davon will ich nicht ablenken.

    5. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor fast 4 Jahre

      @Dirk Liesemer ja wegen mir nicht natürlich...

      ich glaub ja man darf nicht zu sehr auf das sehen, was auf social passiert. Aber auch wenn du die teilweise wieder völlig entfesselten Empörungskaskaden betrachtest nach "der letzten Instanz" diese Woche, muss man ja konstatieren, dass es nicht nur kein Verbot gibt in der Sache, sondern ganz im Gegenteil eine TV-Mainstream-Sendung mit lauter Mainstream-Protagonisten, wo frank und frei diese Gedanken und Meinungen geäußert werden.

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