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Medien und Gesellschaft

Thomas Rid im Gespräch mit SPON: Desinformation in Social Media wird maßlos überschätzt

Alexander Sängerlaub
Publizist, Journalist, Utopist

Programmleiter Zukunft des Journalismus am Bonn Institute & Direktor futur eins

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Alexander SängerlaubDienstag, 19.02.2019

So langsam ploppen die ersten Studien in die Öffentlichkeit, die dezidiert tiefere Erkenntnisse zur Verbreitung von "Fake News" im amerikanischen Wahlkampf liefern. Nennenswert ist hier der Text von Brendan Nyhan von der University of Michigan bei Medium, der mit seinem Team empirisch feststellt, dass das Phänomen völlig "overhyped" wurde – und selbst die Amerikaner gar nicht so viele Fake News während des US-Wahlkampfs zu Gesicht bekommen haben, wie von einigen angenommen. Zumindest nicht direkt – schon eher über das Agenda Setting der Medien (NYC-Beispiel im Rid-Interview).

Deutlich wird im Interview mit Thomas Rid der Umgang der Medien mit Desinformation: Lässt man sich einspannen und verbreitet damit die Falschinformationen weiter oder recherchiert man gründlich, um die Kulisse hinter der Geschichte zu enttarnen? Thomas Rid bringt im Interview mit Patrick Beuth bei SPON ein treffendes Beispiel aus dem Kalten Krieg. Aus den alten Kamellen der 60er lässt sich bis heute noch einiges ableiten und lernen:

SPIEGEL ONLINE: Herr Rid, wie sind Desinformations- und ähnliche Geheimdienst-Kampagnen in der Vergangenheit typischerweise abgelaufen?

Thomas Rid: Ich gebe Ihnen ein Beispiel: In den Sechzigerjahren war der sowjetische Geheimdienst KGB über einen Spion in der US-Armee an einen streng geheimen Plan gelangt, den Operationsplan 10-1. (...) Hochbrisantes Material also. Jedoch: Der Plan war veraltet - und damit nur noch vermeintlich hochbrisant. Der KGB nutzte ihn dennoch für Aktive Maßnahmen, fügte eine Prise Gefälschtes hinzu und schickte ihn 1969 mit Hilfe des deutschen Doppelagenten Heinz Felfe an den "Stern" und den SPIEGEL.

SPIEGEL ONLINE: Was haben die damit gemacht?

Rid: Der "Stern" hat sich auf das Material gestürzt und eine ganze Serie daraus gemacht, er hat sich also einspannen lassen. Aber der SPIEGEL hat nachrecherchiert und den ganzen Spionage- und Desinformationshintergrund aufgeschrieben.

Für so einen kurzen Text stecken darin ziemlich viele gute Gedanken.


Thomas Rid im Gespräch mit SPON: Desinformation in Social Media wird maßlos überschätzt

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Kommentare 7
  1. Nutzer gelöscht
    Nutzer gelöscht · vor mehr als 5 Jahre

    Wie kommt es , daß wieder einmal nur von russischen und iranis gen Trollen geschrieben wird und kein einziger nachvollziehbarer Beleg geliefert wird.Man sollte sich doch einmal der Desinformation oder besser der Nichtinformation der Medien in den sogenannt en Demokratien widmen. ZB bei Spiegel online.

  2. Silke Jäger
    Silke Jäger · vor fast 6 Jahre

    Ist es nicht ein bisschen so wie mit den Flugblättern, die man über feindlichem Gebiet abwarf und die gezielt falsche Infos verbreiten sollten? Die einen sagen: Wie willst du mit dieser Aktion von 2.000 Flugblättern was erreichen? Und die anderen sagen: Guck, es stand in der Zeitung und deshalb sind die alle auf den Berg gefahren, wo wir sie super ins Visier nehmen konnten. So wie geplant.
    Und dann muss man gucken: Wie oft haben die einen Recht und wie oft die anderen?

    Im Internet ist das wohl ähnlich schwer oder leicht. Was ist eine erfolgreiche Kampagne und wie soll man das messen? Obwohl vieles rund um Fake-Accounts und irreführende Infos sehr offensichtlich bedenklich ist (dazu muss es gar keine gesteuerte Aktion sein), kann man schlecht dingfest machen, wie viel davon auf der subtilen Ebene was genau bewirkt. Was, wenn das Ziel gar nicht wäre, uns von etwas Falschem zu überzeugen, sondern, generelle Zweifel zu säen? Sodass mehr Menschen irgendwann entnervt aufgeben und sich gar nicht mehr informieren, keinem Journalisten mehr glauben, weil sie zu dem Schluss gekommen sind, dass ihnen die Instrumente zur Messung des Wahrheitsgehalts nicht zur Verfügung stehen.

    Ich finde, in dieser Hinsicht, sind Desinformationskampagnen ziemlich schnell, ziemlich erfolgreich gewesen. Weil der generelle Informationsoverload ungefähr zeitgleich so richtig eingeschlagen hat. Und man zugucken kann, wie Vertrauen gefressen wird. Aber wie man diesen Vertrauensverlust in Zahlen übersetzen soll, weiß ich auch nicht. Wer weiß das?

    1. Alexander Sängerlaub
      Alexander Sängerlaub · vor fast 6 Jahre

      Das Flugblattbeispiel passt gut, weil es oft nur darum geht, seine Botschaft überhaupt zu senden. Die muss gar nicht viele erreichen, um Zweifel zu säen und Disruption zu verursachen. Auf die konkreten Zahlen kommt es vielleicht auch gar nicht an.

      Dabei ist aber auch die Rolle der klassischen Medien entscheidend, z.B. wie sich der Umgang der Medien mit der NPD von dem mit der AfD unterscheidet. Die Positionen der NPD waren so menschenverachtend und daneben, dass man sich beispielsweise im öffentlich-rechtlichen Rundfunk dazu entschlossen hat, dass die NPD in politischen Talkshows nicht stattfindet. Heute sitzt die AfD, die sich in vielen Positionen nicht sonderlich von der NPD unterscheidet, mit an den Diskussionstischen der Republik und schafft ihre Relevanz einfach dadurch, dass man ihr Aufmerksamkeit gibt. Klar, die Historie der AfD ist eine andere, das Problem aber heute das gleiche.

      Und das schaffen auch soziale Netzwerke: Denen eine Stimme geben, die vielleicht aus gutem Grund bisher keine hatten im medialen Diskurs, weil ihre Positionen mit demokratischen Grundwerten nur schwer oder nicht vereinbar sind. Trump erreicht mit seinen Botschaften via Twitter einfach 58,4 Mio. Follower – völlig ungefiltert. Mein Punkt ist: Viel davon sind gar keine "Desinformation" (also absichtlich verbreitete Falschinformation), sondern einfach stumpfe "Meinungsmache" oder ein absurdes "Framing" von Themen. Desinformation braucht es da gar nicht. Und für Trump wird im Bestfall jeder Tweet ohnehin zu einer Headline in den Nachrichten. Mission accomplished, Zweifel gesäht.

    2. Silke Jäger
      Silke Jäger · vor fast 6 Jahre

      @Alexander Sängerlaub Es gibt ja schon länger dieses Phänomen, das niemand gerne Verantwortung übernehmen möchte, vor allem nicht für hässliche Seiten einer Entscheidung, einer Nachricht, whatever. Die Wurzel des PR-Sprechs von Politikern. Diese glatten Sätze wurde ja auch öfter als nicht wörtlich ins Blatt gehoben. Journalismus ist definitiv Teil des Problems. Aber auch Teil der Lösung. Deswegen wäre es schon gut, wenn man mal eine waschechte Desinformationskampagne dezidiert nachvollziehen könnte und mit denen von früher vergleichen: als es noch kein Internet gab, keine sozialen Medien. Und auch mit anderen Formen von Kampagnen: PR-Kampagnen, stumpfe Meinungsmache etc. Neu an Internet-Kampagnen ist ja vor allem, dass man die Effekte skalieren kann.
      Vielleicht sieht man dann, dass es immer schon schwierig war, Effekte zu messen. Und das hilft uns vielleicht, den Kern des Problems zu diskutieren. Meiner Meinung nach ist das die schnöde Lüge und die Frage, ob wir immer noch als aufgeklärte und rationale Gesellschaften gelten können, wenn wir das durchgehen lassen. Uns in größerem Maßstab belügen lassen. Dahinter muss ja gar nicht immer die gesteuerte Lügenkampagne stehen. Mehr so eine Kultur ...

  3. Rico Grimm
    Rico Grimm · vor fast 6 Jahre

    Gute Gedanken vielleicht, aber ich vermisse die Belege. Wenn Rid zu dem Schluss kommt, dass das "völlig" überschätzt sei, kann er sich doch nicht mit dem Verweis auf einen einzigen Akteur da aus der Affäre ziehen. Gibt Hunderte Geheimdienste und andere Organisationen, die potentiell ein Interesse haben via Social Media gezielt Stimmungen zu verstärken. Was ist mit denen?

    1. Alexander Sängerlaub
      Alexander Sängerlaub · vor fast 6 Jahre

      Das stimmt. Die Social-Media-Plattformen (allen voran Facebook) sind allerdings auch selbst wie verschlossene Austern. Die Wissenschaft kann die Frage letztlich gar nicht beantworten, welche Akteure welchen Einfluss auf Debatten in sozialen Netzwerken nehmen können und genommen haben, weil sie an die Daten gar nicht herankommt. Facebook weiß hier sicher mehr, rückt sie aber (aus guten Gründen?) nicht heraus.
      Für mich bedeutet auch, dass die Überschätzung der Wirkung von Desinformation in sozialen Netzwerken deshalb richtig ist, weil der Einfluss auf die klassische Medienagenda übersehen wird. Meint: Populisten à la Trump sind extrem gut darin, einfach ständig medial stattzufinden, weil sie die Medienlogik so gut füttern. Da braucht es nicht mal "Desinformation", das ist einfach "Agenda Setting" und "Framing".

    2. Rico Grimm
      Rico Grimm · vor fast 6 Jahre

      @Alexander Sängerlaub Das wiederum unterschätzt, wie sehr sich Medienmacher inzwischen ihre Agenda von den sozialen Medien diktieren lassen ;)

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