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Pop und Kultur

Realist und Staatskünstler: Die turbulente Karriere des Zhang Yimou

Fabian Peltsch
Musikjournalist

Fabian Peltsch interessiert sich für globale Popkultur-Perspektiven jenseits von World-Music-Klischees. Er ist Redakteur bei Table.Media in der China-Redaktion und schreibt daneben regelmäßig für Rolling Stone, Musikexpress, Mint, Fluter und die Welt.

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Fabian PeltschDienstag, 08.12.2020

Ende November startete Zhang Yimous neuester Film "One Second" in den chinesischen Kinos. Eigentlich hätte er bereits vor einem Jahr gezeigt werden sollen, unter anderem bei der Berlinale. Doch dann zogen die chinesischen Zensoren im letzten Moment den Stecker. Das Thema "Kulturrevolution" war ihnen wohl zu heikel. Welche Kompromisse und Zugeständnisse Zhang machen musste, damit sein Film schlussendlich doch gezeigt werden durfte, ist nicht bekannt. Doch der Fall zeigt einmal mehr, dass der vermutlich wichtigste chinesische Film-Regisseur der letzten 50 Jahre sich weiterhin in einer Grauzone bewegt – was umso erstaunlicher ist, wenn man den Werdegang des heute 69-Jährigen vom verfemten Indie-Filmemacher zum anerkannten Staatskünstler noch einmal Revue passieren lässt. Genau das macht der wunderbar informative China-Popkultur-Kanal "Radii" in einem Artikel anlässlich des Filmstarts von "One Second". 

In frühen Filmen wie "Ju Dou" und "Red Sorghum" hatte Zhang die Realität der chinesischen Landbevölkerung hart und zärtlich zugleich ausgeleuchtet, was ihm den Vorwurf einbrachte, anti-chinesische Propaganda zu betreiben, zumal die Filme auf westlichen Festivals gefeiert wurden. "Ju Dou" (1990), "Rote Laterne" (1991), und "Leben!" (1994) durften bis Mitte der Neunziger nicht in China gezeigt werden. Ab den frühen Nuller-Jahren wurde Zhang zunehmend kommerzieller. Seine Martial-Arts-Filme wie "House of Flying Daggers" oder "Curse of the Golden Flower" setzten trotzdem weiter Standards. Und sie versöhnten den Regisseur mit dem Staat, der den Künstler zunehmend für sich einspannte. Zhang, der seine Jugend zwangsverschickt auf dem Land und in einer Textilfabrik verbrachte, orchestrierte die Eröffnungsfeierlichkeiten der Olympischen Spiele 2008, die nicht nur in China heute als Auftakt eines vermeintlich "chinesischen Jahrhunderts" bewertet werden. Auch sonst half Zhang der kommunistischen Partei bei ihrer historischen Selbstbeweihräucherung ("My People, My Country") und dem Versuch, die chinesische Filmwelt als Soft-Power-Alternative zu den USA in Stellung zu bringen ("The Great Wall"). 

Ob Indie oder Mainstream: Zhangs filmischer Einsatz von Farben war international wegweisend. Seine starken Frauenfiguren, unter anderem gespielt von Gong Li und Zhang Ziyi, wurden nicht nur in China zu Ikonen und halfen, das chinesische Patriarchat zu hinterfragen, das sich trotz vermeintlicher kommunistischer Gleichberechtigung und Mao-Sprüchen wie "Frauen tragen die Hälfte des Himmels" bis heute gehalten hat. 

Zhang Yimou hat immer wieder betont, dass er an Politik nicht interessiert sei. Ihm sei es immer und in erster Linie darum gegangen, das kulturelle Erbe Chinas lebendig zu halten und ein künstlerisches Gegengewicht zu Hollywood zu etablieren. Wie seine Karriere nach "One Second" weitergeht, bleibt spannend. Derzeit arbeitet er an einem Film über den Korea-Krieg, ein in China sehr emotional aufgeladenes, potentiell riskantes Thema.

Zhang Yimous Klassiker kann man fast alle in okayer Qualität umsonst auf YouTube streamen.

Realist und Staatskünstler: Die turbulente Karriere des Zhang Yimou

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Kommentare 3
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor fast 4 Jahre

    Danke für die Vorstellung des Beitrags und den Hinweis, dass es seine frühen Filme auf You Tube gibt. DIE ROTE LATERNE gefiel mir früher außerordentlich gut. Mal sehen, wie das Werk gealtert ist.

    1. Fabian Peltsch
      Fabian Peltsch · vor fast 4 Jahre

      Sehr gerne. Ich finde die frühen Werke alle sehr zeitlos. "Die Rote Laterne" findet sich sogar mehrfach auf YouTube, zB hier: https://www.youtube.co...

    2. Manu J
      Manu J · vor fast 4 Jahre

      @Fabian Peltsch Danke für den Tipp. Gleich gestern angeschaut und bin erstaunt, wie interessant der Film auch heute noch ist.

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