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Zeit und Geschichte

Gestern & Heute: Die USA – Einwanderungsland und Sklavenhalterstaat

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergFreitag, 18.11.2022

Adam Tooze ist ein gern gesehener Gast bei piqd.

Nun gab der Wirtschaftshistoriker der FR ein Interview, in dem er nach den Midterms durch die neue Weltunordnung mäandert und diesmal im Fokus vor allem die Vereinigten Staaten hat.

Dass die USA früher in den 1950er- und 60er-Jahren ein Ruhepol und Vorbild der Demokratie für die Welt waren, bestreitet er vehement. Ja, für Deutschland und einige andere Länder waren sie es, aber in vielen Staaten zeigten sie ihr abstoßendes Gesicht, die Fratze des Imperiums:

Wenn Sie in der Zeit in Indonesien, in Korea gelebt hätten oder im zentralamerikanischen Raum wie Kuba wäre Ihnen ein ganz anderes Gesicht Amerikas begegnet. Ganz zu schweigen von der Weiterführung des Kalten Krieges in den 1950er und 1960er Jahren. Und wenn der brasilianische Präsident Lula sich weigert, in die amerikanische Front gegen Putin einzuschwenken, hat das damit zu tun, dass er und Mitglieder seiner Partei mit Folter durch eine von Amerika unterstützte Diktatur verfolgt wurden. Man muss also relativieren.

Adam Tooze malt sein Bild niemals schwarz auf schwarzen Hintergrund. Während das britische Empire die Umgestaltung der Welt im 19. Jahrhundert entscheidend prägte, so der in London geborene Engländer, waren es die USA im vergangenen Jahrhundert:

Wo Sie vollkommen recht haben, ist, dass Amerika in den 1950er und 1960er Jahren als Machtstaat und geschlossener Machtapparat funktionierte wie bis zu diesem Zeitpunkt kein anderes Land in der Welt. Sogar ein Vergleich mit dem britischen Empire verbietet sich. Das amerikanische Vorgehen war viel anspruchsvoller und erreichte viel größere Dimensionen. Das britische Empire hat nie versucht, einen Marshall-Plan oder eine Nato oder Ähnliches zusammenzubringen.

Und so gibt es einen relativen Niedergang der immer noch dominierenden Weltmacht USA.

Der in Heidelberg aufgewachsene und deshalb perfekt Deutsch sprechende heutige Professor für Zeitgeschichte und Direktor des European Institute an der Columbia University in New York bringt viele erhellende Details aus dem Innenleben der Vereinigten Staaten und zeigt ihre kulturelle Potenz bis zum heutigen Tag – gerade in Deutschland.

Für mich war es zum Beispiel immer beeindruckend, wie türkische Jugendliche in Berlin sich die Attitüde der schwarzen Rapper angeeignet haben, obwohl sie in keiner Hinsicht schwarz sind und Nachkommen eines riesigen Großreiches sind, sich nun aber mit dem Gangster-Rap identifizierten. Das sind Prozesse der Globalisierung.

Diese wirken aber auch zurück auf die Vereinigten Staaten.

Natürlich wird AdamTooze am Ende zum Ukraine-Krieg und dessen Folgen befragt. Ohne die amerikanischen Waffenlieferungen wäre der Kriegsverlauf ein anderer geworden.

Er sieht die USA als große Gewinner und deshalb endet das Gespräch so:

Die amerikanischen Haushalte und Konsumenten, die viel Benzin verbrauchen, litten zunächst etwas wegen der gestiegenen Ölpreise. Die Befürchtung, dass der Ölpreis in schwindelerregende Höhen steigen könnte, hat sich aber nicht bewahrheitet. Amerika ist letztendlich ein Energieexporteur, große Teile der USA profitieren von hohen Energiepreisen.

Geopolitisch und strategisch ist die amerikanische Politik risikoreich, aber auch gewinnbringend. Nicht nur, dass Russland geschwächt wird, die Nato und ihre Allianzen in Ostasien haben neue Energie bekommen. Das alles ist ein großer Gewinn für Amerikas Strategie.

Wer zu einzelnen Punkten mehr erfahren und wissen will, wie sich der gegenwärtige Stand im Nachdenken über die gravierenden Veränderungen der Vielfachkrisen entwickelt hat, der wird auf der eindrucksvollen Webseite von Adam Tooze schnell fündigt – in Wort und Ton.

Hier sieht man auch, wo er sich irrte und wo er in erstaunlichem Ausmaß Kommendes voraussah.

Gestern & Heute: Die USA – Einwanderungsland und Sklavenhalterstaat

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Kommentare 3
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 2 Jahren · bearbeitet vor 2 Jahren

    Ja, ich fand das auch ein interessantes Interview. Bei Korea müßte man aber m.E. zwischen Süden und Norden unterscheiden. Und ob Batista so viel schlimmer war als Castro dann, darüber könnte man auch streiten. Immerhin fing er als linker Reformer an:

    "Ende der 1930er-Jahre unterstützte Batista den wachsenden Einfluss der Kommunisten als Gegengewicht zur bis dahin dominierenden linksliberalen Partido Revolucionario Cubano (PRC/Auténticos) von Ramón Grau und dem Radikalismus der damaligen Studentenbewegungen, zu denen später auch Fidel Castro gehörte. In der verfassungsgebenden Versammlung, die im November 1939 einberufen wurde, stellten das Bündnis aus Batista-Anhängern und den kommunistischen Verbündeten sowie die PRC die Mehrheit und verabschiedeten gemeinsam die Verfassung von 1940, welche damals als die fortschrittlichste Lateinamerikas galt. Sie führte neben allen bürgerlichen Freiheiten auch eine Reihe sozialer Sicherheiten wie den Acht-Stunden-Arbeitstag ein.
    Im Jahre 1940 wurde Batista dann zum Präsidenten gewählt. Kuba nahm während dieser Zeit diplomatische Beziehungen zur Sowjetunion auf und trat der Anti-Hitler-Koalition bei. In seiner Regierung gab es zahlreiche kommunistische Minister. Kubas Volkswirtschaft erlebte eine starke Kriegskonjunktur." Und endete dann wie viele Linke incl. Castro als Diktator.

    https://de.wikipedia.o...

  2. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor 2 Jahren · bearbeitet vor 2 Jahren

    Ich hätte mir - zumindest als Ausklang - zum doch etwas negativem bzw. rein utilitaristischem Ton des Textes in punkto USA gewünscht, dass die zuletzt in der Wirkung durchaus werteverteidigende Ukraine-Politik der USA erwähnt wird.

    ja es ist wichtig den Imperialismus der USA und ihre zt vorkommende völkerrechtswidrige Politik auszusprechen und nicht zu vergessen.
    Sie zu verherrlichen ist ebenso falsch wie sie zu verteufeln:
    USA ist auch nur ein Land ein System das Ergebnis von memschlicher Politik bzw. Politikern.

    was aber bedeutet dass sie lernen können. sich ver/ändern.
    Und als wie auch immer beschädigte jahrhundertealte Demokratie ist sie dafür allerdings etwas besser aufgestellt als Autokratien und Diktaturen.

    Ich persönlich glaube ja - dass bei allem Auftrieb den USA zu letzt hatte (auch wirtschaftlich) durch die Ukraineverwerfungen, sie fast genauso heraus gefordert wird wie Russland:

    die aktuelle wieder starke Propagierung bzw. die propagierte Stärkung des Völkerrecht(sgedanken) bedeuten auch für die USA eine Herausforderung um es höflich zu formulieren
    (ganz abgesehen von der Klimakrise die auch in den USA große Veränderungen in ihrer Wirtschaftspolitik bewirken wird/muss).

    Vielleicht werden sie es sogar schwerer damit haben als ein zukünftiges Rußland da "Sieger" nötige Reformen häufig für unnötig halten...

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 2 Jahren

      Oh, ich dachte, ich hätte es etwa durch dieses Zitat getan:

      "Wo Sie vollkommen recht haben, ist, dass Amerika in den 1950er und 1960er Jahren als Machtstaat und geschlossener Machtapparat funktionierte wie bis zu diesem Zeitpunkt kein anderes Land in der Welt. Sogar ein Vergleich mit dem britischen Empire verbietet sich. Das amerikanische Vorgehen war viel anspruchsvoller und erreichte viel größere Dimensionen."

      Aber jetzt ist es durch Ihren Kommentar ergänzt. Danke.

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