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Flucht und Einwanderung

Gestern & Heute: Es ward Stadt - Von Asylstädten bis zu Megacitys

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergFreitag, 02.02.2024

Unsere Epoche der Flucht und Migration ist die erste in der bisherigen Geschichte, wo die Mehrheit der Menschheit in Städten lebt. Seit 2007 ist das der Fall, Tendenz steigend. Bis 2050 könnten es nach UN-Berechnungen zwei Drittel sein.

Flüchtlinge fliehen vor allem in Städte - und das seit Urzeiten. Alle drei klassischen antiken Tragödiendichter gestalteten den Stoff der Schutzbefohlenen, die die dramatischen Dilemma zeigen, die die rasant wachsenden Stadtstaaten mit Flüchtlingen vor 2500 Jahren hatten. 

Im Alten Testament gibt es Asylstädte, wo umstritten war, wer aufgenommen wird. Ähnlich im Mittelalter, wo Stadtluft frei machte. Kurzum: Bei der Vernetzung der Welt spielten Städte von der Antike bis heute eine entscheidende Rolle.

In den 1980er Jahren schrieb John Berger seine große Trilogie über die Verstädterung der Welt, die man hier auf yourbook.shop findet. Der Roman "Flieder und Flagge", dessen Cover ich für diesen piq nutze, ist der dritte Teil dieser bemerkenswerten Trilogie "Von ihrer Hände Arbeit".

Der Politikwissenschaftler Benjamin R. Barber erfand das Weltparlament der Bürgermeister. Der Essay im Hauptteil dieses piqs fußt auf seinem letzten Buch „If Mayors Ruled the World“.

Seine These:

Die Nationalstaaten sind nicht mehr in der Lage, die Probleme zu lösen. Sie sind in Grenzen gefangen; Klimawandel, Terror und Pandemien, aber auch Ölkartelle und Banken sind es nicht. Es ist Zeit, dass sich unsere Städte global vernetzen. Städte sind die Bausteine einer globalen Regierungsführung. Nur sie können die Demokratie bewahren.

Dabei sieht Benjamin R. Barber auch die Widersprüche und Konfliktbündel, die Schattenseiten der Megacitys mit Gated Communities und Slums. Sein Fazit zeigt die Janusköpfigkeit und er bleibt dennoch optimistisch, dass gerade in Städten Lösungen gefunden und versucht werden.

Doch obwohl die Geschichte der Stadt eine der Hoffnung ist, zeichnet sie sich auch durch ein Dilemma aus: Seit Beginn des menschlichen Zusammenlebens sind wir unseren Städten mit einer gewissen Ambivalenz begegnet. Wir fürchten den urbanen Raum, obwohl (oder vielleicht gerade weil) er uns reizt. Die Stadt zieht an und stößt ab. Bevor wir einschätzen können, welche Vorteile wir aus der menschlichen Migration in die Städte ziehen werden, müssen wir also – um es mit den Worten Peter Lasletts zu sagen – zuerst die Welt vermessen, die wir verloren haben. Und wir müssen lernen, die Ambivalenz der Städte als kreative Kraft für uns zu nutzen.

Benjamin R. Barber verstarb 2017, aber die Debatte geht weiter, wie man bei diesem Call of Paper sieht, zu dem auch unsere Mitpiqerin Magdalena Taube gehört.

In der ZDF-Mediathek findet man eine Reihe zu Megacitys.

Gestern & Heute: Es ward Stadt - Von Asylstädten bis zu Megacitys

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