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Volk und Wirtschaft

Nein, China ist nicht am Zenit seiner Macht

Emily Kossak
Journalistin

Ich studiere Sinologie im Master und schreibe hier über Gesellschaft, Politik und China.

Außerdem schreibe ich den Newsletter "How to China", mit dem du besser verstehst, wie China sich versteht.

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Emily KossakDonnerstag, 11.07.2024

Ob aus Schadenfreude oder Erleichterung, rund um den Globus reibt man sich die Hände angesichts der wirtschaftlichen Situation Chinas: Die Wachstumsraten betragen “nur noch” um die vier bis fünf Prozent jährlich, die Bevölkerung überaltert, junge Leuten haben es schwer, Arbeit zu finden.

Journalist*innen und Autor*innen stellen unter dem Stichwort “Peak China” fest: Das wirtschaftliche Wunder Chinas ist vorbei, das Land werde nicht mehr an den USA vorbeiziehen (der Guardian hat “Peak China” gar eine ganze Serie gewidmet).

Das ist ein vorschnelles Urteil, zeigt der Politikwissenschaftler Evan S. Medeiros in der Foreign Affairs. Warum dieser Text lesenswert ist, lässt sich mit einem Zitat zusammenfassen:

Statt die Ängste und Hoffnungen des Westens auf China zu projizieren, sollten westliche Politiker verstehen, wie Chinas Führung ihr Land und ihre eigenen Ambitionen wahrnimmt.

Der “Peak China” Diskurs verkörpert die klassischen Merkmale der Berichterstattung über China: Kurzsichtigkeit und Orakeln über die Zukunft des Landes. Und, wie Medeiros schon so treffend sagte, Projektionen westlicher Hoffnungen anstatt Erforschung der chinesischen Ziele.

Medeiros Artikel ist ein treffender Gegenentwurf, der, ohne sich Illusionen zu machen, fragt: Welche Ziele strebt Xi Jinping an, und warum nimmt er dafür einen wirtschaftlichen Niedergang in Kauf? Er erinnert dabei auch an folgendes:

Wenn man aus den vergangenen 40 Jahren eine Lehre ziehen kann, dann die folgende: Der Kommunistischen Partei Chinas und ihrer Wirtschaftsführung gelingt es beinahe immer, sich gegen alle Widrigkeiten durchzuboxen. 

Der Text ist ein reality-check, aus dem man mit Antworten anstatt Fragen herausgeht - und gleich mal googelt, was Xi Jinping eigentlich mit der "Großen Verjüngung Chinas" meint.

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Kommentare 6
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 6 Monaten

    Auch das leider mit Paywall:
    "Nachdem Mao Tse-tung tot war, versuchte Deng Xiaoping, bestimmte Formen des Kapitalismus in Chinas Parteistaat zu integrieren. Wie sehen Sie diesen Weg in der Geschichte?

    Nicht nur Deng Xiaoping, sondern sogar Lenin hat einmal gesagt, dass der Sozialismus der Sowjetunion vom Kapitalismus hätte lernen sollen. Auch Roosevelt sagte später etwas in dieser Richtung: Seit dem Zweiten Weltkrieg haben sich die USA auf den Sozialismus zubewegt, während sich die Sowjetunion auf den Kapitalismus zubewegt hat. In ähnlicher Weise haben die bestehenden sozialistischen Staaten überlebt, indem sie kapitalistische Elemente absorbiert haben. Es gibt kein Land, das den Kapitalismus vollständig abgelehnt hat und ausschließlich eine Planwirtschaft verfolgt, das überlebt hätte.

    In Ihrem Buch argumentieren Sie, dass sich die Sowjetunion in das von den USA geführte Wirtschaftssystem hätte integrieren können, was die Spannungen zumindest gemildert hätte. Was lehrt uns das für heute?

    Stalin hatte eine falsche Vorstellung. Warum glaubte Stalin, dass das sowjetische sozialistische System das beste sei, warum weigerte er sich, am Bretton-Woods-System teilzunehmen, und warum stimmte er zu, sich vom Marshallplan abzukoppeln, als dieser vorgeschlagen wurde? Der Vorschlag für den Marshallplan kam zwar, nachdem die USA beschlossen hatten, sich wirtschaftlich abzukoppeln. Aber Stalin glaubte zu sehr an die Überlegenheit des sozialistischen Systems. An die Zentralisierung der Ressourcen und die Organisation aller wirtschaftlichen und sozialen Aktivitäten nach dem Plan des Staates.

    In diesem Punkt vielleicht Xi Jinping nicht unähnlich. Glauben Sie an das Konzept der großen Strategie? Daran, dass China etwa das langfristige Ziel hat, die USA zu stürzen?

    Die große Strategie ist ein Konzept, das von Deng Xiaoping entwickelt wurde. Er machte viele Aussagen wie „die chinesisch-amerikanischen Beziehungen sind eine strategische Frage“ und „die chinesisch-amerikanische Zusammenarbeit sichert die globale Stabilität“. Warum schlug er diese Idee vor? Erstens glaube ich, dass er klar erkannte, dass die USA das mächtigste entwickelte Land waren. China hingegen war das mächtigste Entwicklungsland. Für die künftige Entwicklung der Menschheit in einer globalisierten Welt muss es eine Kombination aus Industrie- und Entwicklungsländern geben, um voranzukommen. Daher kommt die chinesisch-amerikanische Zusammenarbeit der Menschheit und der Welt zugute. Dies ist mein Verständnis von Dengs „großer Strategie“. Eine Spaltung oder Konfrontation zwischen China und den USA ist daher ein Unglück für die Menschheit und die Welt. Wäre Deng Xiaoping noch am Leben, würde er dies sicher nicht sehen wollen.

    Deng ist vor allem für seine Strategie der Wirtschaftsreformen bekannt. Wird China daran festhalten?

    Der Weg des Sozialismus durch Reform und Öffnung hat China dorthin gebracht, wo es heute steht. Sie hat die Position und die Stärke Chinas und die Lebensgrundlage seines Volkes verbessert. Ohne das Festhalten an der Reform und Öffnung hat China keine Zukunft."
    https://www.faz.net/ak...

  2. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 6 Monaten

    Hier eine Einschätzung aus der NZZ:

    "Im März kündigte der chinesische Ministerpräsident Li Qiang für China für das Jahr 2024 ein ehrgeiziges Wachstumsziel von 5 Prozent an. In einem nachfolgenden Kommentar bestätigte Justin Yifu Lin, ehemaliger Chefökonom der Weltbank, dieses Ziel der Regierung und prognostizierte, dass Chinas Wirtschaft in den kommenden zehn Jahren mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von 5 bis 6 Prozent wachsen werde, bevor es zwischen 2036 und 2050 zu einer Abschwächung auf 3 bis 4 Prozent komme. Lin deutete zudem an, dass China bereits 2026, wenn nicht schon 2025, den Status eines Landes mit hohem Einkommen erreichen könnte. Angesichts der düsteren demografischen Aussichten Chinas erscheint dies jedoch höchst unwahrscheinlich.

    Lin merkt an, dass das Pro-Kopf-BIP in 26 Ländern weniger als die Hälfte des Wertes der USA betrug, als ihre Bevölkerungen zu altern begannen. Lin argumentiert, dass diese Länder ihre jeweilige Wirtschaft nach diesem Zeitpunkt weiter verbesserten, und das könne auch China gelingen. Die WHO definiert den Beginn der Alterungsphase einer Volkswirtschaft als den Zeitpunkt, an dem der Anteil der Menschen im Alter von 65 und älter 7 Prozent überschreitet – ein demografischer Meilenstein, den China im Jahr 1998 erreichte. …..

    Bis 2023 stieg der Anteil der über 65-Jährigen in China auf 15,4 Prozent. Historisch gesehen ist es keinem Land gelungen, in den zwölf Jahren nachdem der Anteil der älteren Menschen an der Bevölkerung 15 Prozent erreicht hatte, ein Wachstum von 4 Prozent zu erzielen. Die durchschnittliche Wachstumsrate der Länder mit hohem Einkommen liegt in diesem Zeitraum bei nur 1,8 Prozent.

    Eine alternde Bevölkerung beeinträchtigt Produktion, Verbrauch, Unternehmertum und Innovation und untergräbt die wirtschaftliche Dynamik. Steigen das Median-Alter und der Anteil der über 65-Jährigen, verlangsamt sich das BIP-Wachstum. Lins Prognose, wonach China zwischen 2024 und 2035 eine jährliche Wachstumsrate von 5 bis 6 Prozent erreichen wird, ist daher so wahrscheinlich, wie dass ein 80-Jähriger einen Marathonlauf gewinnt."

    https://www.nzz.ch/mei...

  3. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 6 Monaten

    Ich würde mich auch nicht wirklich auf solche Peak China- Szenarien verlassen. Aber genau so wenig auf eine solche Aussage: "Der Kommunistischen Partei Chinas und ihrer Wirtschaftsführung gelingt es beinahe immer, sich gegen alle Widrigkeiten durchzuboxen." Es mag der KP in der Vergangenheit gelungen sein sich "durchzuboxen". Was überhaupt nichts über die Zukunft aussagt. Die Partei hat/hatte nicht immer recht, nicht mal fast immer. Und das auch nicht mit einem "Marxismus", den sie in China immer noch wie eine Monstranz vor sich herzutragen scheint? Diese Strategie von der Verjüngung Chinas erinnert doch fatal an die Autosuggestion vergangener kommunistischer Diktaturen. Was das Land erst mal nicht weniger stark und gefährlich macht. Das ist schon richtig.

  4. Hermann J. F. König
    Hermann J. F. König · vor 6 Monaten

    Endlich mal eine Wirklichkeitssichtweise auf China! Danke!

  5. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 6 Monaten

    Danke.

    Ergänzend sei eine Zusammenfassung verlinkt, die der Autor auf seiner Webseite frei zugänglich publizierte:

    https://asiasociety.or...

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 6 Monaten

      Danke für den Link. Damit wird klarer, was der Autor meint. Das ist ja immer das Problem mit Artikeln hinter den Bezahlschranken.

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