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Flucht und Einwanderung

Namenlos im Asylsystem

Emran Feroz
Journalist
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Emran FerozFreitag, 16.10.2020

Lesenswerte taz-Kolumne von Lin Hierse, die in diesem kurzen Text auf mehrere wichtige Thematiken eingeht. 

Anfangs beschreibt sie die Namenlosigkeit ihrer Großmutter. Natürlich hatte sie einen Namen, doch dieser wurde praktisch so gut wie nie ausgesprochen. 

Großmutter wurde immer im Verhältnis zu den Menschen um sie herum benannt, das war der Inhalt ihrer Existenz. Sie war mama, a’bu, bu.

Das kenne ich sehr gut. Dies ist nämlich in vielen Kulturen der Fall. Ich wusste sehr lange nicht, wie meine beiden Großmütter wirklich heißen. Irgendwann vergessen nämlich selbst die eigenen Kinder den Namen, wenn er nie benutzt wird. 

Während der Name von Hierses Mutter von der deutschen Sprache "regelmäßig massakriert wurde", wie sie schreibt, scheint ihr eigener für die deutsche Mehrheitsgesellschaft kein Problem zu sein. 

Ich habe einen, der ausgewählt wurde, um es der Mehrheit leicht zu machen, und dadurch auch mir.

Ja, auch daran denken viele Migranten und Geflüchtete, wenn sie hier ankommen

Es gibt auch im Afghanischen Namen, die das Leben eines Kindes hier einfacher machen. Mein Bruder heißt zum Beispiel Elias, und er hat deshalb zum Teil völlig andere Erfahrungen gemacht als ich, Emran. Andere Namen, die eine ähnliche Wirkung hätten und unter Afghanen ebenfalls verbreitet sind, sind etwa Lisa, Eva, Sarah oder Roman. 

Ich denke, einige Menschen können sich gar nicht vorstellen, was für einen Einfluss diese ganze Namensnennung hat. Wer einen "vertrauten" Namen hat, wird eher angenommen. Dies ist auch in den USA der Fall, wo viele Menschen ihre Vornamen oftmals anglisieren oder sich zusätzlich einfach "Mike" oder "Alex" nennen. 

Der letzte Abschnitt im Text behandelt die systematische Namenlosigkeit der Menschen. Flüchtlingskinder. Migrantenkinder. 

Oder:

Wie nennen wir Moria? Menschenunwürdig. Das sagt sich so dahin, weil die Menschen dort längst nicht mehr Menschen genannt werden. Sie haben keine Namen, außer denen, die wir ihnen zugestehen. Wir fragen nicht, wer sie sind, wir verhandeln, ob sie sein dürfen. Diese Namenlosigkeit ist kein Nebeneffekt von Migration, nicht die Natur der Sache. Sie ist Teil eines Systems, das unseren Komfort über ihr Leben stellt. Weil es anders nicht auszuhalten wäre – für uns.
Namenlos im Asylsystem

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Kommentare 3
  1. Omar Adam Ayaita
    Omar Adam Ayaita · vor 4 Jahren

    Hier zeigt sich die ganze Absurdität des Alltagsrassismus. Emran ist ein schöner Name, der auch nicht so aussieht, als ob er für mitteleuropäisch geprägte Zungen schwer auszusprechen wäre. Das Problem ist, dass Menschen häufig auf Grund des Namens bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden -- zum Beispiel die Eigenschaft, nicht zur eigenen "Gruppe" zu gehören. Das ist oberflächlich, schädlich und führt zu absurden Schlüssen, wie man an den oben genannten Beispielen (Elias, Sarah etc.) sieht. Kurzum, ein Armutszeugnis.

    1. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 4 Jahren · bearbeitet vor 4 Jahren

      Es stimmt. Dass aber unterschiedlich auf Namen reagiert wird ist natürlich auch normal: chantal u Kevin sind heute verbrannt. Lafontane oder Barowski zeigen einen migrationshintergrund von vor 200 jahren...
      Wilke, Figge, Eigenbrodt bei uns im Landkreis alte traditionsreiche familien, deren Namen anderswo garnicht / kaum bekannt oder egal wären.

      aussprechbar im neuen eigenen HeimatLand zu sein ist ja auch eine gute sinnvolle absicht.
      (was mich auch oft wundert wie wenig sich aber z.b. (alt)Amerikaner mühe geben, etwas unenglische namen zu akzeptieren und wie schnell neueinwohner dort so banale Bezeichnungen wie Mike antizipieren. ob wir hier in Europa in Deutschland etwas besser sind? keine ahnung. Vielleicht wegen unseres Ausweis-systems. Im Gegensatz zu anglo amerikanischen Sitte den Namen leicht ändern zu dürfen und keine festen Ausweise zu haben ...Vielleicht.)
      Aber ja: emran zu diskriminieren und Elias nicht, ist rassistisch. Allerdings ändert das spätestens die Zeit. In wasweisich 100 Jahren sind z.b. türkisch- und syro-deutsche Namen gewohnt...

    2. Omar Adam Ayaita
      Omar Adam Ayaita · vor 4 Jahren

      @Cornelia Gliem "Normal" im Sinne von "akzeptabel" ist es natürlich nicht, wenn Menschen es je nach Namen einfacher oder schwerer haben. Das ist nämlich eine direkte Benachteiligung auf Grund des familiären Hintergrunds; und davon gibt es schon mehr als genug. Dass die Namens-basierte Diskriminierung nicht nur in der rassistischen, sondern auch in der klassistischen Variante vorkommt (Kevin, Chantal), macht es nicht besser. Für mich sind diese Namen nicht verbrannt, sondern vollkommen in Ordnung.

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