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Kurator'in für: Pop und Kultur Fundstücke Medien und Gesellschaft
Freier Journalist in Hamburg. Liebste Arbeit: Interviews führen; übelste Arbeit: Interviews abtippen.
Flohwalzer-Virtuose. Erste selbstgekaufte Kassette: Roxette - "Tourism". Krautrock, afrikanischer Blues und Souljazz waren da noch fern. Schätzt "Handgemachte Musik", und hört natürlich trotzdem HipHop, Dub und Ambient.
Aber spätestens seit der Digitalisierungswelle der Nullerjahre hat sich das Wort "Durchhörbarkeit" in die Sprache der Verantwortlichen im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk (ÖRR) geschlichen – etwas weniger gefällige Songs sind dort nicht mehr erwünscht. Spezial-Sendungen für Interessierte gibt's zwar heute noch – allerdings fast immer nach 21 Uhr.
Der Journalist Martin Hommel beklagt den Mainstream-Wahn:
Ich fühle mich im Angebot der ÖR-Radios in Deutschland selten bis gar nicht abgebildet. Ich vermisse die nerdigen Musikradios und frage mich, warum öffentlich-rechtliche Popkultur-Radios in Deutschland so glattgezogen werden?
Hommel weiß: es gibt sie, die öffentlich-rechtlichen Sender, die einen hohen Anteil handverlesener Musik spielen. Mit Erfolg! Nur eben nicht in Deutschland. Also hat der Musikjournalist für eine eigens aufgesetzte Site mit Programmmacher*innen in sechs Ländern gesprochen, mit dem australischen Double J, dem ukrainischen Radio Promin, mit Österreichs FM 4. Deren Programmchefin Dodo Gradištanac weiß, wie man, bedroht von Quotendruck und steigendem Durchschnittsalter der Hörenden, im Haifischbecken ÖRR seine Position behauptet:
Obendrein spielt FM4 40% österreichische Musik.Wir müssen die Antwort der Relevanz geben. Wir müssen die Antwort geben, die soziologisch erwiesen ist. Und zwar, die der Milieus, die wir bedienen. Die vorwärts gewandten. Die Milieus, die Bio gekauft haben, als es noch keine Bio-Linien beim Discounter gab. Die verlachten Bobos, die iPhones hatten, wo andere noch nicht wussten, wie ein Touchscreen funktionieren soll.
Unten gepiqd: das wirklich außergewöhnliche Konzept der Musik-Kuration beim genialen französischen Sender FIP, der kaum Moderationen hat und nie auf Quote setzen würde. Die Musik-Programmierenden dort ...
can play whatever they want… our music possibilities are endless. The programmers have to tell some kind of story with the music they use. The music has to be what I call ‘past, present, future’ so from every era
Der ÖRR in Deutschland verfügt über Dutzende Sender und bildet auch neue Musik ab – allerdings vor allem in sogenannten "Jugendsendern" wie N-Joy (SWR und HR leisten sich sogar Schlager-Wellen auf UKW). Tatsächlich gibt es schon einen reinen Sender für Nicht-Mainstream, NDR Blue, der allerdings eher stiefmütterlich behandelt und vom NDR kaum beworben wird. Und: es ist ein reiner Digitalsender, viele, die noch über ihr altes Küchenradio hören, bekommen ihn nicht rein.
Und was ist mit Spotify? Der Algorithmus ist gut, weil er weiß, was einem gefällt. Wer aber Lust hat, aus der Komfortzone raus zu kommen und auch mal ein neues Genre entdecken möchte, hat es schwerer. Da braucht es Kuratierung durch Menschen.
Hommel, der das Projekt mit Melanie Gollin kreiert hat, vermisst das Nischige, den "Krach" und meint:
In einer Zeit, in der die Kids Zugang zu unendlich vielen Medien haben, müssen öffentlich-rechtliche Sender clever sein, um sie nicht zu verlieren. Wie das gelingt? Tja, gute Frage. Ich glaube nicht durch ein breites “in die Masse senden” und Durchhörbarkeit, sondern mit individuellem Programm, spannenden und unangepassten Inhalten, Special-Interest-Themen und Nischen.
Quelle: Martin Hommel woisthierderkrach.de
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