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Heiner Flassbeck, Ökonom bei der UNCTAD in Genf, verweist – wie Marterbauer – auf die makroökonomischen Aspekte der aktuellen Krisen(debatten). Die relativ hohen Wachstumsraten in Deutschland und Österreich, die auch zu hoher Beschäftigung geführt hätten, hängen wesentlich mit der Exportorientierung beider Staaten zusammen. Diese müsse jedoch zwangsläufig auf Kosten anderen Staaten gehen, da positiven Leistungsbilanzen der einen immer negative Leistungsbilanzen der anderen gegenüber stünden: „Für die ganze Welt gibt es eben keinen Export.“ (S. 47) Die Verschuldungskrisen der ärmeren Euroländer wie Griechenland führt Flassbeck nicht nur, aber wesentlich auch auf diese Leistungsbilanzunterschiede zurück.
Als Keynesianer plädiert der UNCTAD-Ökonom für die Aufgabe der Lohnzurückhaltung in den (zu) erfolgreichen Ökonomien, was die Wettbewerbsfähigkeit anderer Ökonomien stärke und zugleich den Konsum ankurble. Und dennoch konstatiert Flassbeck – wie Marterbauer – , dass in hochproduktiven Wirtschaften auch ein anderer Weg denkbar sei, nämlich das Weniger-Arbeiten: „Wenn sich Gesellschaften, auf welchem Weg auch immer, zum Beispiel entschließen, weniger arbeiten zu wollen, also den Produktivitätsfortschritt statt in höheren Löhnen in geringeren Arbeitszeiten konsumieren zu wollen, dann ist das ohne weiteres möglich. Dann wird weniger produziert und weniger nachgefragt.“ (S. 48)
Er tritt auch ein für eine viel stärkere Zurückdrängung der Finanzmärkte, die immer weniger mit der Realwirtschaft zu tun hätten: „Man setzt gar nicht auf die Dividende (oder den Zins), die man mit einer Anlage auf lange Sicht erzielen kann, sondern hofft darauf, dass der Preis der gerade gehaltenen Vermögenstitel kurzfristig steigt.“ (S. 25) Auf den Finanzmärkten würden daher keine Werte geschaffen, sondern es wird nur umverteilt: „Der Gewinn des Einen ist der Verlust des Anderen.“ (S. 25) Das Problem seien aber die Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Auch wenn Flassbecks Buch den Titel „Die Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts“ trägt, sind seine Zukunftsprognosen düster. Der Wirtschaftspolitik sei die Rationalität vollends abhandengekommen. „Die Projektionen des Hasses und der Angst auf ein kleines Volk, der geifernde Boulevard, die hilflose Politik, die Unfähigkeit, Dinge beim Namen zu nennen – all das muss uns zweifeln lassen, ob die Aufklärung noch eine Chance hat“, so Flassbeck in Bezug auf Griechenland.
Im rigiden Festklammern an Sparpaketen und nationalistischer Kleinkrämerei sieht Flassbeck das Abwürgen einer florierenden Wirtschaft mit gefährlichen politischen Folgen: „Wenn Europa sich auf zehn Jahre Stagnation und Deflation hinbewegt, sind die rechten Flammen, die an seinen Rändern schon deutlich zu sehen sind, nicht mehr zu beherrschen“, schrieb der Autor schon vor fünf Jahren. Das Fenster der Möglichkeit, „demokratische Lösungen zu finden“, sei nur noch ganz kurze Zeit offen, so Flassbeck damals. „Das System fahre gegen die Wand. Die Frage sei nur, „ob es früher oder später passiert“ (S. 237). Dann werde nicht nur Europa zerbrechen, sondern auch der Versuch, die Wirtschaft zu globalisieren, zu Ende sein.
Einschätzung: Flassbeck fordert in seinem Buch eine neue politische Bewegung, die sich gegen die Sparpolitik wendet. Auch sieben Jahre nach Erscheinen des Buches ist die Richtungsentscheidung für eine gesamteuropäische Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik noch nicht gefallen. Vielmehr droht der Rückfall in neue Nationalismen und Schuldzuschreibungen. Die Herausforderung einer den völkerrechtlichen Verpflichtungen entsprechenden Aufnahme von Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisengebieten ist ebenfalls keineswegs gemeistert; vielmehr gibt sie Anlass zur Sorge, dass nationalistische Bewegungen noch mehr Auftrieb bekommen.
Quelle: Heiner Flassbeck books.google.de
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