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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Großer Anspruch, wenig dahinter, so könnte man das Agieren unseres Landes bzw. seiner politischen Klasse zunehmend charakterisieren. Man möchte, nicht nur moralisch, Vorreiter sein, große Zeitenwenden werden verkündet. Nehmen wir den Zustand der Bundeswehr und die "Zeitenwende" anlässlich des Ukrainekrieges mit dem bekräftigten Ziel, 2 % des BIP für Verteidigung auszugeben und dafür auch zusätzlich ein "Sondervermögen" (oder eben auch nicht zusätzlich?) von 100 Mrd. € bereitzustellen. Bundeskanzler Scholz hat gerade angekündigt, in den nächsten Jahren die Ausgaben aus dem «Sondervermögen» dem regulären Verteidigungsetat zuzurechnen. Es scheint, dass weiter unklar ist, wie Deutschland die Zwei-Prozent-Vorgabe langfristig einhalten will, ob es überhaupt will.
Das Ifo-Institut in München hat die Konsequenzen dieser Entscheidung berechnet. Gemäss der aktuellen Wirtschaftsprognose müsste Deutschland demnach im kommenden Jahr etwa 80 bis 85 Milliarden Euro für seine Verteidigung ausgeben. Das würde bedeuten, dass von 2024 an jährlich zwischen 25 und 30 Milliarden Euro aus dem schuldenfinanzierten «Sondervermögen» abfliessen müssten. Unter Annahme eines weiter konstanten Wirtschaftswachstums wären die 100 Milliarden Euro «Sondervermögen» im Jahr 2027 aufgebraucht.
Der NZZ-Artikel von Marco Seliger (im Rahmen eines Schwerpunktes "Der Fall Deutschland – warum das Land abstürzt und wie es wieder auf die Beine kommen kann) zeichnet dabei ein Bild der Verteidigungsfähigkeit unseres Landes, das mich schockiert – obwohl viel davon bekannt war.
Dass Europa nach dem Ende des Ost-West-Konflikts abgerüstet hat, war sicher gut und richtig. Aber dass dabei die Bundesregierungen aller Couleur nicht in der Lage waren, die Armee verteidigungsfähig zu halten, das scheint mir ein Politikversagen. Erst recht nach der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014. Spätestens da hätte Deutschland verteidigungspolitisch aufwachen müssen. Wladimir Putin hatte deutlich gemacht, wie aggressiv er auch gegenüber dem Westen Europas Politik zu gestalten gedenkt. Doch die Regierung von Angela Merkel versäumte es, die Bundeswehr wieder verteidigungsfähig aufzustellen. Und so sieht es heute etwa auf der Personalseite aus:
Die Bundeswehr hat knapp 182 000 Soldaten, davon 214 Generale und Admirale, gut 39 000 Offiziere, 95 000 Unteroffiziere und 46 000 Soldaten mit Mannschaftsdienstgraden. Noch nie hatte sie so wenig Soldaten und gleichzeitig so viele Organisationsbereiche, Stäbe, Kommandos und Behörden wie heute. Dafür gibt es einen Begriff: Kopflastigkeit. Sie sorgt für viel zu viele Schnittstellen und erschwert es, Verantwortung zuzuordnen und wahrzunehmen. Das ist ein typisches Kennzeichen für eine friedensgewöhnte Armee. Sie bringt Bürokraten hervor und fördert sie.
Etwas, was wir in vielen Bereichen unserer Gesellschaft antreffen – wachsende Bürokratien, eher sinkende Entscheidungs- und Problemlösungsfähigkeiten. Die Bundeswehr gibt inzwischen zwar die Hälfte ihres Budgets für Personal aus.
Doch eine Armee mit zu vielen «Häuptlingen» für zu wenig «Indianer» ist mit der neuen Konfrontation in Europa überfordert. Der Krieg in der Ukraine zeigt, worauf es in einem Konflikt an der Ostflanke ankommt.
Im Ernstfall wären wir eben nicht wirklich reaktionsfähig. Etwas, was wir im kleinen Maßstab auch bei der Katastrophe im Ahrtal gesehen haben.
Dazu kommen die nächsten Schwachstellen: die Bewaffnung und die Munition.
Es ist nicht so, dass die Bundeswehr keine modernen Waffen hätte. Das Problem ist vielmehr, dass sie oft nicht einsatzbereit sind, weil zwei Dinge fehlen: Ersatzteile und Munition. Kommandeure sagen, gebt uns erst einmal genügend davon, bevor ihr neue, teure Waffen kauft.
Wie groß oder klein die Munitionsstände wirklich sind, versucht das Verteidigungsministerium unter Verweis auf die nationale Sicherheit geheim zu halten – was verteidigungspolitisch auch nachvollziehbar ist. Aber wenn das zu Untätigkeit führt, wird es gefährlich. Der Artikel zählt eine Reihe durchgesickerter und beängstigender Probleme auf. Ein Beispiel ist etwa, dass Kriegsschiffe wie die Korvette 130 nur mit der halben Ladung an Munition auslaufen können. Ein weiteres machte kürzlich der «Spiegel» öffentlich.
Demnach verfüge die Bundeswehr nur noch über 20 000 Artilleriegranaten. Um das einzuordnen: Auf dem Treffen der EU-Verteidigungsminister im März in Stockholm legte Estland ein Papier vor, in dem es hiess, dass Russland pro Tag zwischen 20 000 und 60 000 Artillerie-Geschosse verbrauche.
Dabei wäre eine entsprechende Munitionsbeschaffung wirtschaftlich/finanziell ein ziemlich großer Brocken. Munition für 30 Tage hochintensiven Gefechts zu beschaffen, wie es die NATO fordert, würde etwa 30 bis 40 Milliarden Euro kosten.
So hat es das Berliner Verteidigungsministerium vor einigen Jahren errechnet, allerdings nicht die notwendigen Schlussfolgerungen gezogen.
Beunruhigend, in der NATO geht es u. a. auch den Vereinigten Staaten ähnlich:
Der Ukraine-Krieg hat gezeigt, wie viele Raketen und Granaten in einem modernen Krieg verbraucht werden. Zur Überraschung und zum Entsetzen der USA sind wir völlig außerstande, mit der erforderlichen Granatenproduktion Schritt zu halten. Wir fahren die Produktion hoch, aber nur in bescheidenem Umfang, und selbst das wird Jahre dauern.
Offensichtlich leben wir (wie der Westen insgesamt) volkswirtschaftlich in allen Bereichen über unseren Verhältnissen. Sozialpolitisch, verteidigungspolitisch, bei Infrastrukturen und Klimaschutz – überall werden von Interessengruppen aus dem Volk nachvollziehbar mehr Geld und Ressourcen gefordert. Immer mehr Schulden sind aber keine nachhaltige Lösung, auch demografisch sind unsere Möglichkeiten begrenzt. In dem Zusammenhang also die Frage:
Woher soll das Geld kommen, um dauerhaft 80 bis 85 Milliarden Euro oder, je nach Wirtschaftslage, noch mehr für Verteidigung zu finanzieren? Die Antwort liegt nahe: Es müssten entweder Ausgaben an anderer Stelle gekürzt, Steuern erhöht oder weitere Schulden – etwa für ein zweites «Sondervermögen» – aufgenommen werden.
Diese Frage und die Alternativen müsste eine Regierung, aber auch die Medien, den Bürgern in einem demokratischen Prozess klar und deutlich formulieren. Auch um verstehen zu können, was den Deutschen ihre Sicherheit im Vergleich zu anderen Politikbereichen eigentlich wert ist. Doch stattdessen wurstelt sich auch dieses Kabinett durch. Man kauft sich mit dem schuldenfinanzierten «Sondervermögen» Zeit, aber das eigentliche Problem verschiebt man – mit verschiedenen anderen – in die Zukunft. Kein Klartext, nirgendwo. Wen wundert es, dass große Teile des Volkes meinen, in einer Dauerkrise zu leben und dann AfD wählen?
Quelle: Marco Seliger www.nzz.ch
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Viele Infos - danke.
Man ist ja leicht einverstanden mit moderneren Strukturen und mehr Effizienz.
Aber stellt sich angesichts des Krieges in der Ukraine nicht die Frage, ob diese weitgehende Vernachlässigung konventioneller Armee unter Kohl und Merkel ganz "vernünftig" war? Oder zumindest nachvollziehbar. Russland kann die Ukraine scheinbar konventionell nicht besiegen. Sicher mit massiver Unterstützung aus dem Westen, aber dennoch ist die Ukraine ja nicht die NATO und unsere Verteidigung weder nur die Bundeswehr, noch nur konventionell. Sehr laienhaft finde ich erstmal, dass es schon ok ist, da jetzt mal wieder etwas "nachzuziehen", aber ich finde es auch ok, wenn das mit viel Bedacht und langsam geschieht. Heute wie gestern scheint es mir wichtigere Dinge zu geben für unsere Milliarden. Heute wie gestern scheint es natürlich fraglich, ob die dann auch da landen.